Laurenz, sechs, hat sein erstes Zeugnis bekommen. Für seine gute Note hätte er gerne ein Handy. Marlene und Oliver haben mit Laurenz schon viel darüber gesprochen und ihm erklärt, wieso seine beiden älteren Geschwister bereits ein Smartphone besitzen, er aber nicht. Den Eltern ist es wichtig, dass Laurenz noch möglichst viel seiner Freizeit auf dem Spielplatz, mit viel Bewegung und gemeinsam mit anderen Kindern verbringt.

Die Brüder Robert (13) und Viktor (11) haben in letzter Zeit sehr viele Stunden vor dem Computer verbracht. Die beiden Jungs spielen sehr gerne mit anderen ein gewisses Computerspiel. Jeder Einwand der Eltern prallt an den beiden ab. Ginge es nach den Buben, würden sie am liebsten jede freie Minute in ihren Zimmern vor den Computern verbringen.

Manfred und Sabina sind mit ihren Kindern zu einer Wanderung aufgebrochen. Immer wieder fallen den Kleinen bestimmte Blumen, Tiere, Geräusche und Gerüche auf und sie stellen auch viele Fragen. So entdecken die Eltern mit den Kindern gemeinsam viel Interessantes und der Nachwuchs bekommt dadurch unterschiedlichste Sinneseindrücke.

Wahrnehmungsentwicklung

Es fällt uns in letzter Zeit vermehrt auf, dass Kinder Auffälligkeiten in der Entwicklung zeigen, die offensichtlich auf eine Wahrnehmungsproblematik zurückzuführen sind.

Sie sind leicht reizbar, stolpern, zappeln herum, können sich nur schlecht konzentrieren, erwecken den Eindruck, dass sie nicht richtig zuhören, und sind öfters frustriert, überfordert und aggressiv. Manche trauen sich dann irgendwann auch einfach nichts mehr zu und sind beim Erfahrungenmachen sehr vorsichtig und zurückhaltend. Oftmals trägt dazu nicht zuletzt ein Alltag bei, der immer weniger Wert auf Bewegung legt.

Sie die Natur erkunden lassen, durch Wald und Wiesen wandern und Gerüche aufnehmen – so lernen Kinder eine bessere Wahrnehmung.
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Mit allen Sinnen die Welt entdecken

Um sich in der Welt zurechtzufinden, diese wahrzunehmen und verstehen zu können, müssen Babys und kleine Kinder lernen, ihre Sinne einzusetzen und sicher zu verwenden. Um ihre Umgebung gut wahrnehmen zu können, verfügen Menschen über fünf Hauptsinne. Diese sind Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken. Bei gesunden Kindern sind alle Sinne bei der Geburt schon vorhanden und werden nach und nach immer besser entwickelt, indem das Baby mit seiner Umwelt interagiert. Wichtig für die eigene Körperwahrnehmung ist außerdem der Gleichgewichtssinn.

Um äußere Reize gut genug verarbeiten zu können, benötigt der Mensch ein koordiniertes Zusammenspiel aller Sinne. Sind die Sinne nur unzureichend ausgeprägt, können mitunter wichtige Signale, Informationen und Reize nur bruchstückhaft wahrgenommen werden. Dies kann die Entwicklung des Kindes stark beeinträchtigen und in seinen Handlungsmöglichkeiten einschränken.

Schulung der Wahrnehmung von Anfang an

Im Alltag ist es sehr leicht möglich, Babys und Kleinkinder in vielen Wahrnehmungsbereichen zu unterstützen. Dazu lassen sich vielerlei kleine Spielchen in den Tagesablauf einbauen. Oftmals fördern Eltern und Bezugspersonen bei den alltäglichen Handlungen und in der Interaktion die Wahrnehmung. Vieles, was die Erwachsenen tun, um ihr Kind zum Lachen zu bringen, hilft der Wahrnehmungsförderung.

Bei kleinen Kindern lässt sich der Sehsinn zum Beispiel durchaus durch das Anschauen von Bilderbüchern, Zusammenbauen von Puzzles, Spielen von Memory schulen. Beliebt ist bei Kindergartenkindern auch das Spiel "Ich seh', ich seh', was du nicht siehst".

Der Hörsinn kann sich beim Kind nur durch Erfahrungen in unterschiedlichsten Hörsituationen, durch verschiedenste Laute und Geräusche weiterentwickeln. Oftmals werden Kinder von klein auf von Computer-, Fernseher- oder Radiogeräuschen beschallt. Diese Reizüberflutung kann Kinder oft überfordern. So macht es Sinn, gemeinsames Spielen ohne störende Hintergrundgeräusche und in Stille als Erholung in den Alltag einzubauen.

Es gibt viele Wege, wie der Tastsinn des Babys und Kleinkindes angeregt werden kann. So sind von Anfang an sanfte Berührungen, Streicheleinheiten und Hautkontakt von großer Wichtigkeit. Auch unterschiedliche Umwelterfahrungen wie das Spielen in der Sandkiste, mit Erde und Matsch, das Malen mit Fingerfarben oder das Experimentieren mit Knetmasse fördern den Tastsinn. Auch das Gehen ohne Schuhe auf unterschiedlichen Untergründen hilft dem Kind, sich besser in und mit seiner Umwelt zurechtzufinden.

Kleine Spiele zur Förderung

Der Gleichgewichtssinn lässt sich durch Schaukeln, Wiegen und Balancespiele gut weiterentwickeln. Auf dem Spielplatz lässt sich beobachten, dass Kinder gerne schaukeln, herumklettern und laufen.

Ob der Geruchssinn gut oder weniger gut ausgeprägt ist, fällt vielen Menschen oftmals erst im Erwachsenenalter auf. Den wenigsten ist bewusst, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Riechen und dem Schmecken gibt. Auch eine spezielle Förderung des Geruchssinns ist in den Alltag gut einzubauen. Für Kleinkinder kann es durchaus lustvoll sein, bei einem Spaziergang in der Natur an Blüten und Blättern zu riechen. Riechspiele mit verschlossenen Augen sind eine sehr gute Förderung für den Geruchssinn.

Die Industrie der Fertigprodukte und der extrem leichte Zugang zu Fastfood verändern die Geschmackswahrnehmung des Menschen. Um diese wieder anzuregen, hilft es, Kindern frische Lebensmittel anzubieten und sie kosten zu lassen, damit sie neue Geschmackserfahrungen machen können. Beispielsweise sorgt mitunter das Erraten von Gemüse, Obst oder Gewürzen mit verbundenen Augen für Spaß am Esstisch und für Abwechslung.

Bei alldem ist wichtig, dass Eltern und Bezugspersonen klar und bewusst ist, dass die Wahrnehmung immer individuell bleibt. Menschen nehmen auf ganz unterschiedliche Weise die Welt, ihre Umgebung und die anderen Menschen wahr.

Ihre Erfahrungen?

Welche Anregungen bauen Sie in den Alltag ein, um die Entwicklung der Wahrnehmung zu unterstützen? Posten Sie Erfahrungen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 2.8.2019)