Der NGO Global Witness zufolge sind die Philippinen der gefährlichste Ort der Welt für Menschen, die ihre Heimat vor zerstörerischen Industrien schützen wollen.

Foto: Global Witness / Jeoffrey Maitem

Wien – Vor knapp einem Jahr tauchte der Name von Victoria Tauli-Corpuz auf einer von der philippinischen Regierung verfassten Terrorliste auf. Sie wurde bezichtigt, der kommunistischen Partei und ihrem bewaffneten Arm anzugehören. Tauli-Corpuz ist keine Terroristin. Aber sie ist auch nicht durch Zufall auf der Liste gelandet.

Die Philippinerin ist als Uno-Sonderberichterstatterin für den Schutz von indigenen Völkern zuständig und gehört selbst einer indigenen Bevölkerungsgruppe an. Ureinwohner, die sich der Ausbeutung von Land und natürlichen Ressourcen durch Bergbau, Abholzung oder Landwirtschaft widersetzen, sind der Regierung ein Dorn im Auge.

"Land- und Umweltschützer werden zu Terroristen erklärt, eingesperrt oder angegriffen, weil sie ihre Rechte verteidigen oder einfach nur weil sie auf Land leben, das von anderen begehrt wird", sagt Tauli-Corpuz. "Dieses Phänomen ist auf der ganzen Welt zu beobachten."

Die Uno-Sonderberichterstatterin Victoria Tauli-Corpuz wird immer wieder von philippinischen Beamten als Terroristin bezeichnet.
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Die Einschüchterungsversuche gehen aber weit über Kriminalisierung hinaus. Vergangenes Jahr wurden mindestens 164 Menschen, die ihre Häuser, Wälder und Flüsse gegen zerstörerische Industrien verteidigen wollten, ermordet. Das entspricht etwas mehr als drei Tötungen pro Woche, so ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Global Witness, der diese Woche erschienen ist.

Ein Viertel der Ermordeten gehörten indigenen Bevölkerungsgruppen an. "In vielen Teilen der Welt sind die Ureinwohner unverhältnismäßig von dem Kampf um Land und natürliche Ressourcen sowie der damit einhergehenden Gewalt betroffen", sagt Heather Iqbal von Global Witness zum STANDARD.

Nach Angaben von Global Witness steht diese philippinische Bananenplantage, die von einem globalen Lebensmittelriesen betrieben wird, auf den Feldern gewaltsam vertriebener Ureinwohner.
Foto: Global Witness / Jeoffrey Maitem

Dem Bericht zufolge sind die Philippinen das gefährlichste Land für Umweltschützer und Landrechtsaktivisten: Hier wurden im vergangenen Jahr 30 Aktivisten ermordet. Es folgen Kolumbien mit 24 und Indien mit 23 Morden, zitiert die AFP den Bericht. Das schlimmste Massaker ereignete sich demnach im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu, als 13 Menschen nach Protesten gegen eine Kupfermine ermordet wurden.

In Brasilien, wo Präsident Jair Bolsonaro auf ein Wahlversprechen hin gewählt wurde, indigene Reserven für Industrien wie den Bergbau zu erschließen, sind die Tötungen wider Erwarten zurückgegangen. Mit 20 dokumentierten Morden liegen die Todeszahlen weit unter jenen Vorjahren, in denen Brasilien als das gefährlichste Land für Naturschützer galt.

Joel Raymundo Domingo hält Rauchbomben, Tränengaskanister und andere Projektile in der Hand, mit denen die Streitkräfte Guatemalas eine gewaltfreie Blockade des San-Mateo-Wasserkraftprojekts zerstreuten.

Foto: Global Witness / James Rodriguez

Drei Morde an Umweltschützern habe es auch auf europäischem Boden gegeben, und zwar in der Ukraine. Vor genau einem Jahr wurde eine junge ukrainische Aktivistin, die gegen illegale Abholzung kämpfte, Opfer eines tödlichen Säureangriffs. Anfang dieses Jahres wurde der Vorsitzende des Regionalrats der südlichen Region Cherson in der Causa verhaftet, er wurde allerdings nach einer umstrittenen Gerichtsentscheidung gegen Kaution freigelassen.

Die meisten Opfer sind nach Angaben von Global Witness in Verbindung mit Bergbauprojekten dokumentiert worden. Auch bei Konflikten um Agrarprojekte und Holzfällarbeiten waren die Todeszahlen zweistellig. Besonders stark stieg die Zahl bei der Verteidigung von Wasserressourcen: von vier Fällen im Jahr 2017 auf 17 im Jahr 2018.

Lucas Jorge Garcia ist Mitglied einer friedlichen Widerstandsbewegung gegen das Wasserkraftprojekt San Mateo in Guatemala. Bereits zwei Gegner des Projekts wurden ermordet aufgefunden.
Foto: Global Witness / James Rodriguez

Global Witness gibt an, 40 der Mordfälle mit staatlichen Sicherheitskräften in Verbindung gebracht zu haben. Bei 40 weiteren Tötungen vermutet die Organisation private Akteure wie angeheuerte Killer, kriminelle Banden und Grundbesitzer als Täter. Zahlreiche weitere Menschen seien durch Gewalt oder den Missbrauch von Anti-Protest-Gesetzen zum Schweigen gebracht worden.

"Die Einschüchterung von Land- und Umweltverteidigern ist alarmierend", sagt auch Elizabeth Mrema, die Direktorin der Rechtsabteilung des Uno-Umweltprogramms Unep, zum STANDARD. "Der Bericht von Global Witness veranschaulicht besorgniserregende Anzeichen für einen aufkommenden Trend, der die Ausübung der grundlegenden Menschenrechte behindert, wobei zunehmend harte und repressive Maßnahmen eingesetzt werden, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen." (Flora Mory, 1.8.2019)