Unter verwilderten und frei herumstreifenden Hunden sind übertragbare Tumore weit verbreitet.
Foto: David Darcy/AMRRIC]

Wien – CTVT ("canine transmissible venereal tumors"), im Deutschen auch als Sticker-Sarkom bekannt, ist die Bezeichnung für infektiöse Tumore, die Hunde befallen. Dabei werden auf sexuellem Weg Krebszellen übertragen, die vor allem an den Geschlechtsorganen blutige Geschwülste bilden. Auch der After und die Schnauze können davon betroffen sein.

Zurück in der Zeit

Im Fachjournal "Science" haben Forscher nun die Ausbreitungsgeschichte dieser Krankheit rekonstruiert. Dafür sequenzierten die Wissenschafter um Elizabeth Murchison von der Universität Cambridge (Großbritannien) das Erbgut von 546 solcher Tumore von Hunden auf der ganzen Welt. An der Studie war auch Katherine Polak von Vier Pfoten Österreich in Wien beteiligt.

Den Ergebnissen zufolge tauchten solche Krebszellen erstmals wohl bei einem Hund in Asien vor rund 8.500 bis 4.000 Jahren auf, berichten die Forscher. In den folgenden Jahrtausenden verteilten sie sich zaghaft von Hund zu Hund bis nach Indien und in den äußersten Westen Asiens. In den vergangenen 500 Jahren eroberten sie dann den Rest der bewohnten Welt, also Europa, Nord- und Südamerika, Afrika, Australien und diverse Inseln. Dabei wurden sie wohl durch die rege Reisetätigkeit der Menschen mit ihren Vierbeinern unterstützt.

Ehemalige Teile eines Tiers folgen ihrer eigenen Evolution

In diesem Zeitraum entkoppelten sich die Zellen – die an ihrem Anfang ja nichts anderes als Körperzellen eines bestimmten Tiers waren – von der Evolution der Hunde und bildeten ihre eigene Entwicklungsgeschichte aus. Bei einem derart langlebigen "Wesen" wirkt die Evolution ganz anders als bei Individuen mit der Lebensspanne eines gewöhnlichen Tiers, bilanzieren die Forscher.

In der ersten Zeit haben sich die Krebszellen im Vergleich zu den ursprünglichen hündischen Zellen, von denen sie abstammen, sehr verändert. Der Großteil ihres Erbguts wurde umgeschrieben, sinnverändert und stark gekürzt. Drei Viertel der Gene tragen Mutationen, sodass bei den Eiweißstoffen, für die sie Vorlage sind, ein oder mehrere Bauteile (Aminosäuren) ausgetauscht sind.

Nur etwa ein Zehntel der Gene blieb den Forschern zufolge fast unverändert. Diese Abschnitte beinhalten also gleichsam den Kern, den Tumorzellen zum Überleben brauchen und um sich zu verbreiten. Die Täter, also die "Antreiber-Gene", die Zellen unkontrolliert zum Wachsen bringen, sind bei allen 546 untersuchten Tumoren weltweit die selben fünf, die auch bei menschlichen Tumoren oft diese Rolle übernehmen.

Unzahl von Mutationen

Mittlerweile haben sich die Krebszellen aber praktisch von der Evolution entkoppelt, meinen die Forscher. Es reichern sich Unmengen an Mutationen an, ohne dass sich dabei die Fitness der Krebszellen ändert. Es wirkt also wohl keine natürliche Selektion auf die CTVTs, was bedeutet, dass solche Tumore zumindest den größten Teil der Zeit keinen Einfluss auf das Überleben und die Reproduktionstätigkeit der Hunde hatten. (APA, red, 1. 8. 2019)