Kanzleizimmer im Landesgericht für Strafsachen in Wien.

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Bereits vor eineinhalb Jahren schlugen Gerichtsjuristen wegen drastischer Budgetkürzungen Alarm. Vergeblich. Nun formiert sich neuerlich scharfer Protest aufgrund der permanenten Unterdotierung des Justizbereichs, was bereits zu Beeinträchtigungen der Verfahren führe, klagen führende Juristen.

STANDARD: Welche konkreten Auswirkungen sind aus der budgetären Unterdotierung des Justizbereichs zu befürchten? Was bedeuten die Einschränkungen für den einzelnen Justiz-"Kunden"?

Oliver Scheiber: Es werden sich in jedem Fall die Verfahren verzögern, weil einfach zu wenig Personal vorhanden ist. Betroffene werden zum Beispiel viel länger auf die schriftliche Ausfertigung von Urteilen warten müssen. Das Arbeiten in den Gerichten wird durch das fehlende Kanzleipersonal außerdem immer unattraktiver. Wir verlieren auch immer mehr qualifiziertes Personal an andere Ressorts wie die Polizei oder die Finanzverwaltung, weil man dort besser eingestuft wird. Auch viele Pendler bleiben deshalb jetzt lieber in der Polizeiinspektion vor Ort. Bestens qualifizierte Juristen wechseln auch in Anwaltskanzleien,

STANDARD: Wie groß ist eigentlich der Finanzbedarf, wie viel Personal wird benötigt, um den Justizbetrieb seriös aufrechtzuerhalten?

Scheiber: Es geht ja um relativ kleine Summen, wenn man die finanzielle Ausstattung etwa des Innenministeriums oder Wirtschaftsministeriums als Vergleich heranzieht. Es wäre uns im Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften fürs Erste schon mit vielleicht 200 neuen Planstellen geholfen. Aber es geht gar nicht nur um Personal. Wir bräuchten dringend eine zeitgemäße EDV-Ausstattung. Wir haben zum Beispiel kein gängiges Textverarbeitungssystem, weil wir uns die Lizenzen nicht leisten können. Wir arbeiten daher mit Gratissoftware aus dem Internet. Was wiederum dazu führt, dass andere Stellen, denen wir Texte schicken, diese nicht aufmachen können. Wir bräuchten Office-Pakete, aber an denen wird gespart. Wir können uns auch kein Powerpoint leisten, daher arbeiten wir sozusagen nur mit "Generika-Software". Das ist ein unhaltbarer Zustand. Die ganze Welt verwendet die gängigen Textverarbeitungsprogramme, nur wir nicht, weil wir uns die Lizenzen nicht leisten können.

STANDARD: Was bedeutet die Personalknappheit in der Justiz letztlich für den Wirtschaftsstandort Österreich. Viele Verfahren betreffen ja auch Unternehmen.

Scheiber: Natürlich ist das ein Riesenproblem. Es geht ja auch zum Beispiel um die Eintragungen ins Firmenbuch, um die Grundbücher, um Verfahren, die Unternehmen betreffen. Dann werden gewisse Leistungen eben nicht mehr nur drei Tage, sondern drei Wochen oder noch länger dauern.

STANDARD: Wie interpretieren Sie eigentlich diese Situation politisch? Welche politischen Motive stehen Ihrer Meinung nach hinter der Sparpolitik in der Justiz?

Scheiber: Die Misere hat eigentlich schon vor 20, 30 Jahren begonnen. Wir hatten parteifreie Justizminister, denen fehlte bei den Budgetverhandlungen mit den jeweiligen Finanzministern die Rückendeckung der Partei. Minister Wolfgang Brandstetter zum Beispiel war in der ÖVP einfach nicht stark verankert, ebenso nicht Maria Berger in der SPÖ. Und auch Josef Moser hatte zuletzt ein schlechtes Standing bei den Budgetverhandlungen. Dann kommt dazu, dass die Sparvorgaben für die einzelnen Ministerien das Justizressort übermäßig stark getroffen haben, weil es ohnehin ein schlankes Ressort ist und es hier keine Einsparungsmöglichkeiten gibt. Wir können nicht sagen, so, jetzt stellen wir das Firmenbuch ein. Es gab in den letzten 20 Jahren auch grundsätzlich sehr wenig Interesse an der Justizpolitik. Das geht quer durch die Parteien. Na ja, und zuletzt muss man halt sagen, dass die FPÖ eben ein viel stärkeres Interesse an der Polizei hatte als an der Justiz. Aber ich hoffe, dass die Übergangsregierung der nächsten Regierung entsprechende klare Vorschläge für eine Aufwertung des Justizressorts unterbreitet. (Walter Müller, 2.8.2019)