Der 54-jährige Hans-Olof S. vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Magdalena Klestil-Krausam.

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Wien – Bertolt Brecht hat in der "Dreigroschenoper" die Frage aufgeworfen, was der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer solchen ist. Hans-Olof S. hat diesen kapitalismuskritischen Ansatz etwas zu wörtlich genommen – und muss sich nun wegen 17 Raubüberfällen vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Magdalena Klestil-Krausam verantworten.

Der 54-jährige Schwede kann sich zugutehalten, dass er der erfolgreichste Räuber im Lande gewesen ist: Von 2009 bis 2018 war er in Wien, Graz und Linz aktiv, überfiel Banken, Postämter und Apotheken und erbeutete 186.000 Euro. Erwischt wurde er, nachdem der Vermieter eines Lagerraums in Berlin ihn in der TV-Sendung "Aktenzeichen XY" erkannt hatte.

Medienbericht brachte die Idee

Auf die Idee, in Österreich aktiv zu werden, brachte ihn die sehr gute Zeitung "Österreich", die im Juni 2008 Österreich als "Paradies" für Bankräuber bezeichnete. Der Akademiker, der bereits wegen Überfällen in Schweden und Dänemark im Gefängnis saß, las den Artikel und beschloss, es zu versuchen.

Dabei ging er äußerst akribisch vor und kundschaftete die Tatorte im Vorfeld aus. "Der Fluchtweg musste gut sein" und "Wenig Kundenfrequenz war auch wünschenswert", verrät er dem Senat. Von Erfolg gekrönt war sein erster Coup in einer Wiener Bank nicht: Er erbeutete 20 Euro in Münzen.

Auch bei der nächsten Tat gab es Probleme: "Der Bankangestellte hat nicht so reagiert, wie ich es mir gewünscht habe", gibt der von Michael Vallender verteidigte Angeklagte zu. Nachdem er einen Zettel mit "Das ist ein Überfall" auf den Tresen gelegt hatte, machte der Angestellte keine Anstalten, ihm Geld zu geben. Erst das Zücken der ungeladenen Gaspistole brachte Beute.

Anreise mit Öffis und gestohlenen Fahrrädern

2010 weitete der Angeklagte, der klimabewusst und vor allem anonym stets mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreiste und in den meisten Fällen mit gestohlenen Fahrrädern flüchtete, seinen Aktionsradius aus. Er wählte Oberösterreichs Landeshauptstadt Linz: "In Wien wurde es zu schwierig, die Banken hatten überall Securitys, Linz war günstiger", erläutert S. seine Beweggründe. Die Reaktion der Bankangestellten, als der Angeklagte sie bedrohte: "Nicht schon wieder!" – es war ihr dritter Überfall binnen eines Jahres.

Wie sich herausstellte, war Oberösterreich doch kein so gutes Pflaster, die Bodenständigkeit der Männer ob der Enns machte Probleme: "Linz war eigentlich recht schwierig. Ein Passant verfolgte mich und wollte mich festnehmen, ich bin nur knapp entkommen", erinnert sich der Angeklagte. Bei anderen Gelegenheiten war er vorsichtiger: So entfernte er Alarmpakete noch am Tatort.

Diverse Devisen gefunden

Die Überfälle beging der Arbeitslose in unregelmäßigen Abständen, immer wenn er Geld brauchte. "Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?", will Klestil-Krausam wissen. "Gelebt." – "Aber nicht gearbeitet?" – "Nein." – "Bei Ihrer Festnahme wurden viele Stadtpläne gefunden. Waren Sie unterwegs?" – "Ja, ich bin gereist." Was sich auch in den sichergestellten Devisen spiegelt: US-Dollar, Schweizer Franken, polnische Złoty, ungarische Forint, brasilianische Real, serbische Dinar, bulgarische Lew, rumänische Leu und thailändische Baht wurden gefunden.

"Jetzt drängt sich schon eine Frage auf: Wie kommt man auf diese Idee? Sie haben eine gute Ausbildung und machen dann so etwas?", wundert sich die Vorsitzende. "Ich sah keine andere Möglichkeit. Ich kann es nur bedauern", sagt der Brillenträger mit Halbglatze ruhig. Beisitzer Harald Craigher kann es nicht glauben: "In Schweden gibt es doch auch ein Sozialsystem?", fragt er. "Ich konnte die Arbeitslosigkeit nicht verkraften", rechtfertigt sich der Angeklagte, der mit einem Übersetzungsbüro geschäftlich scheiterte.

Zeugin ortet schlechtes Karma

Um ihm die Folgen seiner Taten vor Augen zu führen, hat Klestil-Krausam auch mehrere Bankangestellte als Zeuginnen und Zeugen geladen. Die berichten, welche Angst sie hatten, als sie eine Mündung auf sich gerichtet sahen. Dass die Waffen ungeladen oder nur Softguns waren, erkannten sie nicht. Auf Schadenersatz verzichten die geladenen Opfer. "Ich glaube, er hat ein hartes Karma, das muss er jetzt abarbeiten, daher verzichte ich", formuliert es eine Zeugin.

Für Klestil-Krausam ist der Schock für die Opfer ein wesentlicher Umstand, wie sie auch in der Urteilsbegründung ausführt: "Sie haben zig Personen in Todesangst versetzt", erklärt sie. Bei einem Strafrahmen von einem bis 15 Jahre entscheidet sich der Senat für 12,5 Jahre Haft, das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 2.8.2019)