Das Cover des ersten Stooges-Album, drei Tage wach.

Foto: Elektra

Es beginnt gleich einmal mit "1969", einer der wichtigsten Hymnen der Langeweile und Wohlstandsverwahrlosung, die der Rock‘n‘Roll je hervorgebracht hat: "Well it’s 1969, ok/ All across the USA/ It’s another year for me and you/ Another year with nothing to do." Und weiter: "Last year I was 21, I didn‘t have a lot of fun/ And now I‘m gonna be 22, I say: Oh, my – and: boo-hoo."

Dass Iggy Pop 50 Jahre danach mit seinen heute unglaublichen 72 Erdenjahren noch immer gut die Hälfte der Lieder seines Debütalbums regelmäßig bei seinen Konzerten auf der Setlist stehen hat, verdankt sich keinesfalls dem damaligen kommerziellen Erfolg. Am 5. August 1969 erschien das titellose Debütalbum von The Stooges mit ihm als Sänger und Texter. Es ging im "Summer of Love" mit für die Hippiezeit unglaublich aggressiver und extremer, technisch mehr ins Neandertal als in die Weiten des Weltraums weisender Musik kommerziell und auch in der Fachpresse vollkommen unter.

Soraj Music

Monotone Beats und eine die Schläfen wie eine Flex schleifende Gitarre, dazu der Gesang eines Mannes vollgepumpt mit Amphetaminen, der so gelangweilt nihilistisch klingt, als würde er gerade ein brennendes Streichholz in einen Benzintank schnippen: Vor allem live sorgten The Stooges mit weiteren, musikalisch gesehen, mehr mit dem Faustkeil als dem Federkiel in die Platte getriebenen Songs wie dem immergrünen Tu-nicht-gut-Thema "No Fun" für Aufregung: "No fun, my babe, no fun..."

Weitere Höhepunkte neben "Real Cool Time" oder dem zehnminütigen Todesmantra "We Will Fall", das durch die Viola von John Cale von The Velvet Underground veredelt wird, der als Produzent des Albums aber weitgehend Opfer der Löschtaste wurde: der unverwüstliche, quälende Devianzklassiker "I Wanna Be Your Dog".

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Diese große Anti-Haltung war damals ein Flop und sorgte für Entsetzen, sie wurde allerdings einige Jahre später zur Blaupause für den Punk der 1970er-Jahre und dessen Folgen.

Der sich und seine drei Begleitmusiker (das Brüderpaar Ron und Scott Asheton an Gitarre und Schlagzeug sowie Bassist Dave Alexander) vorwiegend von Drogen ernährende James Osterberg alias Iggy Pop aus Ann Arbor in Michigan besorgte es sich auf der Bühne, bis heute stets mit nacktem Oberkörper, derart selbstzerstörerisch bis aufs Blut, dass den verschreckten Leuten nur zwei Möglichkeiten blieben: Saalflucht oder Gegenangriff.

Klassiker der Moderne

Dass Iggy Pop überlebte, grenzt an ein medizinisches Wunder. Mit seinem Auftritt im aktuellen Jim-Jarmusch-Film "The Dead Don‘t Die" als Zombie wurde dem 2019 ein hübscher Kontrapunkt gesetzt. Alle anderen Mitglieder der Stooges-Originalbesetzung sind längst einschlägig tot. Im September wird ein neues Studioalbum von Iggy Pop namens "Free" erscheinen. Wie das klingt, lässt sich noch nicht abschätzen. "The Stooges" aber gilt als Klassiker der Moderne. (Christian Schachinger, 2. 8. 2019)