Wie für die Tiere brachte die Eroberung des Landes auch für die Pflanzen ganz neue Herausforderungen.
Foto: APA/dpa/Daniel Reinhardt

Klosterneuburg – Zum Bewegungsrepertoire von Pflanzen gehört auch der sogenannte Gravitropismus, der sich an der Erdbeschleunigung respektive Erdanziehungskraft orientiert. Diese Fähigkeit ermöglicht Pflanzen unter anderem, auch von schiefem Boden aus gerade nach oben zu wachsen und ihre Wurzeln bestmöglich zu verankern.

Diese Fähigkeit mussten die Pflanzen aber erst erwerben, denn wie alle Organismen lebten sie ursprünglich ausschließlich im Wasser, wo sie der Auftrieb einer solchen Notwendigkeit buchstäblich enthob. Ein Forschungsteam am Institute of Science an Technology (IST) Austria hat nun zu rekonstruieren versucht, wann die Pflanzen den Gravitropismus entwickelten, und kamen auf einen Wert von rund 350 Millionen Jahren vor unserer Zeit. Es dauerte also etwas , denn der ursprüngliche "Landgang" der Pflanzen – für die Forscher um Yuzhou Zhang und Jiri Friml einer der bedeutendsten Schritte im Zuge der Evolution des Lebens – dürfte vor etwa 500 Millionen Jahren erfolgt sein.

Florale Zeitreise

Um einen Einblick in die Entstehung des Wurzelgravitropismus zu erlangen, ließen die Forscher die Wurzeln verschiedener Pflanzenarten in waagrechter Position wachsen und beobachteten dabei, ob und wann die Wurzeln begannen, sich nach unten zu biegen, um der Schwerkraft zu folgen.

Entscheidend für diesen Versuch war, dass die ausgesuchten Pflanzen – Moose, Bärlappgewächse, Farne, Nacktsamer und Blütenpflanzen – zu Gruppen gehören, die sich in weit auseinanderliegenden Epochen entwickelt haben. Bärlapppflanzen beispielsweise blicken auf eine 420 Millionen Jahre alte Geschichte zurück, während die ersten Vertreter der heute vorherrschenden bedecktsamigen Blütenpflanzen erst vor 160 Millionen Jahren auftauchten.

Das Ergebnis des Versuchs: Zwar zeigte sich selbst bei den urtümlichsten Landpflanzen, den Moosen, von der Schwerkraft getriebenes Wurzelwachstum. Doch fand dieses laut den Forschern nur in sehr rudimentärem Ausmaß und zudem sehr langsam statt. Ähnlich sah es bei den Vertretern der schon etwas avancierteren Bärlappgewächse und Farne aus. Erst die Nacktsamer und Bedecktsamer zeigten ein schnelleres und damit viel effizienteres Wurzelwachstum in Richtung der Schwerkraft. Und deren gemeinsame Anfänge gehen etwa 350 Millionen Jahre zurück.

Wurzeln mit Sensoren

Ihr effizientes Wachstum verdanken diese Pflanzen mit Stärkekörnern vollgepackten Pflanzenorganellen namens Amyloplasten, die sich in Reaktion auf die Wirkung der Schwerkraft in die Wurzelspitze begeben. Sie fungieren dort laut den Forschern als eine Art Sensor. Das Schwerkraft-Signal wird dann über das pflanzliche Wachstumshormon Auxin von Zelle zu Zelle weitergegeben. Die zentrale Rolle in diesem Prozess übernimmt im einmal mehr zum Einsatz gekommenen Modellorganismus Ackerschmalwand (einer Blütenpflanze) ein Transportermolekül namens PIN2, berichten die Wissenschafter.

"Nun, da wir beginnen zu verstehen, was Pflanzen brauchen, um sich fest im Boden zu verankern, um an Wasser und Nährstoffe in tieferen Bodenschichten zu gelangen, können wir eines Tages vielleicht Methoden entwickeln, um zum Beispiel den Anbau von Nutzpflanzen auf sehr trockenen Böden zu erleichtern", so Zhang. (red, 2. 8. 2019)