Das Kagome-Muster auf Nano- und auf Makroebene.
Foto: Bernd Aichner, Universität Wien

Wien – Kagome, ein in der traditionellen japanischen Korbflechkunst beliebtes Muster, das sich auch in der Kristallstruktur mancher Minerale finden lässt, diente einem Team österreicherischer und deutscher Supraleiter-Forscher als Inspiration. Das Gitter, das sie nach diesem Vorbild erstellten, war freilich um einige Größenordnungen feiner als ein Geflecht aus Bambus.

Hintergrund

Supraleiter können elektrischen Strom völlig verlustfrei transportieren, wenn sie unter eine gewisse kritische Temperatur gekühlt werden. Allerdings sind reine Supraleiter für die meisten technischen Anwendungen gar nicht geeignet, sondern erst nach kontrollierter Einführung von Defekten. Das Problem: Meistens sind solche Defekte zufällig verteilt. Forscher sind daher um die gezielte periodische Anordnung solcher Defekte bemüht.

In einen Supraleiter kann ein Magnetfeld nur in quantisierten Portionen, den sogenannten Fluxonen, eindringen. Zerstört man nun die Supraleitung in sehr kleinen Bereichen, werden die Fluxonen an genau diesen Stellen verankert. Mit periodischen Anordnungen derartiger Defekte kann man zweidimensionale "Fluxonen-Kristalle" erzeugen, die ein Modellsystem für zahlreiche interessante Untersuchungen darstellen.

Die Defekte dienen hierbei als Fallen für die Fluxonen, und durch Variation von gut zugänglichen Parametern können zahlreiche Effekte untersucht werden. "Allerdings ist es hierfür notwendig, sehr dichte Anordnungen zu realisieren, damit die Fluxonen untereinander wechselwirken können – am besten mit Abständen unter 100 Nanometer, also tausendmal kleiner als der Durchmesser eines Haares", erklärt Bernd Aichner von der Universität Wien.

Das Nano-Gitter

Für die aktuelle, in "ACS Applied Nanomaterials" veröffentlichte Studie wurde ein Quasi-Kagome-Gitter erzeugt, in dem eine Kette von Defekten mit 70 Nanometer Abstand als Pendant der Bambusstreifen in einem Korb fungiert. Die Besonderheit dieser künstlichen Nanostruktur ist, dass nicht nur jeweils ein Fluxon pro Defekt verankert werden kann, sondern sich annähernd kreisförmige Fluxonenketten ausbilden, die ihrerseits ein noch freies Fluxon in ihrer Mitte gefangen halten.

Derartige Fluxonenkäfige beruhen auf der wechselseitigen Abstoßung von Fluxonen und können durch Änderung des äußeren Magnetfelds geöffnet und geschlossen werden. Sie gelten daher als ein vielversprechendes Konzept zur Realisierung von verlustarmen und schnellen supraleitenden Schaltkreisen mit Fluxonen.

Was möglich ist

Den Forschern um Wolfgang Lang von der Fakultät für Physik der Universität Wien ging es in ihrer Studie jedoch nicht darum, besonders leistungsfähige Supraleiter zu kreieren. "Wir wollten einerseits zeigen, dass die Herstellung derart kleiner Strukturen möglich ist", sagt Lang. "Und dass diese wiederum genutzt werden können, um die Fluxonen im Material zu kontrollieren."

Ermöglicht wurde die Arbeit durch ein neuartiges Mikroskop an der Universität Tübingen, das einen besonders fein fokussierten Strahl von Helium-Ionen aussendet, der punktgenau Defekte im Material erzeugen kann. Die damit hergestellten Fluxonen-Käfige können mithilfe eines Magnetfeldes sowohl geschlossen als wieder auch geöffnet werden. Lang zufolge wäre es denkbar, dass auf diese Art in Zukunft sogar Schaltkreise für Fluxonen hergestellt werden könnten.

"Das ist natürlich derzeit noch höchst spekulativ", so Lang. "Aber theoretisch hätten solche Schaltkreise das Potenzial, wesentlich schneller zu arbeiten als herkömmliche Chips auf Siliziumbasis." Das wäre dem Forscher zufolge allerdings eine völlig neuartige Technologie, die erst entwickelt werden müsste – und mit einer erforderlichen Betriebstemperatur von minus 200 Grad Celsius wohl auch eher Spezialanwendungen vorbehalten bleiben würde. (red, APA, 4. 8. 2019)