Viel weiß seine Familie nicht über ihn. Zwar ließ der 1907 in Wien geborene Karl Kowarik zeit seines Lebens keine Zweifel an seiner politischen Überzeugung, über einen Abschnitt seines Lebens schwieg er hingegen. So haben Angehörige erst Jahre nach seinem Tod im Jahr 1987 aus der Zeitung erfahren, dass er im Kalten Krieg ein wichtiger Agent des amerikanischen Counter Intelligence Corps (CIC), des Vorläufers der CIA, war. Und er war nicht der einzige Freiheitliche, der für die Amerikaner arbeitete. Der Themenkomplex wurde von der FPÖ-Historikerkommission nicht besonders ausführlich beleuchtet, wie Der Standard aus informierten Kreisen erfuhr. Der Wiener Historiker Thomas Riegler beschäftigt sich seit Jahren dieser Zusammenarbeit. Einen Teil seiner Erkenntnisse veröffentlichte er 2013 in einem Profil-Artikel.

Angst vor der KPÖ

Schon 1949, bei der Gründung des Verbands der Unabhängigen (VdU), aus dem die FPÖ 1956 hervorging, mischte der US-Geheimdienst mit. Seine Agenten besorgten Geld, stellten Kontakte her und lieferten Informationen. Dabei war das CIC von der Angst getrieben, die KPÖ könnte in Österreich putschen, nachdem 1948 die Kommunisten in Ungarn und der Tschechoslowakei die Macht übernommen hatten. Um dies zu verhindern, kamen den Amerikanern Leute wie Kowarik gerade recht.

Sein Name taucht im öffentlich zugänglichen Onlinearchiv der CIA in insgesamt 16 Akten auf. Aus den Dokumenten geht hervor, dass er ab 1948 etwa bei der Operation "Mount Vernon" als "Operations Chief" beteiligt war, deren Ziel es war, Agenten möglichst nahe an die Zentrale der Kommunistischen Partei Österreichs heranzubringen und sämtliche Aktivitäten der Sowjetunion in den von ihr kontrollierten Teilen Österreichs auszuspionieren.

Der ehemalige SS-Agent Wilhelm Höttl leitete nach 1945 Operationen gegen die KPÖ im Auftrag des US-Geheimdienstes CIC.
Foto: www.HolocaustResearchProject.org

Als Strippenzieher agierte Wilhelm Höttl, ehemals Direktor des Nazi-Geheimdienstes SD (Sicherheitsdienst) in Wien und später in Südosteuropa. Höttl bot seine Dienste wie andere Nazis den USA an, als er merkte, dass sich das Kriegsglück gewendet hatte. Der CIC sperrte ihn zunächst ein und transferierte ihn zum Nürnberger Kriegsverbrechertribunal, wo er sich als Zeuge der Anklage zu Verfügung stellte.

Höttl sagte aus, dass ihm Adolf Eichmann, den er von Wien her kannte und der für die Transporte von Juden in verschiedene Vernichtungslager zuständig war, erzählte, dass er "sechs Millionen Juden in den Tod geschickt habe". Danach wurde Höttl zu einem der wichtigsten Ansprechpartner des US-Geheimdienstes, der auch Gelder verteilen durfte.

Später mischte Höttl bei der Gründung des VdU mit.
Foto: www.HolocaustResearchProject.org

Höttl mischte auch im März 1949 dabei mit, eine neue politische Partei zu gründen. Er unterstützte Viktor Reimann und Herbert Kraus dabei, den VdU aufzubauen, der auf die Stimmen ehemaliger Nationalsozialisten schielte und ihnen eine neue politische Heimat bot. Höttl sorgte dafür, dass sein Vertrauter Stefan Schachermayr, vormals die rechte Hand des oberösterreichischen Gauleiters August Eigruber, Spenden bei Industriellen für die Partei sammelte. Zusätzlich lieferte Höttl Kraus Informationen, die er von ehemaligen hochrangigen Nazis und dem CIC bekam.

HJ, NSDAP, SS und US-Agent

Die Zusammenarbeit zwischen CIC und dem VdU geschah mit dem Wissen des damaligen sozialistischen Innenministers Oskar Helmer, der sich durch das Antreten des VdU eine Schwächung der ÖVP erwartete. Tatsächlich errang der VdU auf Anhieb 16 Mandate, neun davon auf Kosten der SPÖ.

Schachermayr sorgte zuletzt 2005 für Schlagzeilen, als er in einem Interview frei von der Leber plauderte: "Ich war überzeugter Nationalsozialist und bin es im Grunde genommen heute noch. Man kann uns ja außer dieser Judengeschichte gar nichts nachweisen. Es ist ja nur Gutes geschehen."

Neben Schachermayr war auch Kowarik bei der Gründung des VdU zu Stelle. Seine politische Laufbahn begann schon früher: Er war unter den ersten Österreichern, die sich den Nazis anschlossen und hierzulande als stramme Hitler-Anhänger in Erscheinung traten. Schon 1926, im Jahr ihrer Gründung, wurde er Mitglied der Hitlerjugend, deren österreichischer Anführer er später wurde. Es folgten Mitgliedschaften in der NSDAP und der SS. Nach dem sogenannten "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich betätigte er sich im Wiener Rathaus als Ratsherr und war von 1942 bis 1945 Mitglied des Großdeutschen Reichstages. Seine Kriegseinsätze absolvierte er unter anderem als SS-Kriegsberichter sowie Ausbilder für Weltanschauung.

FPÖ-Generalsekretär Karl Kowarik war US-Agent.
Foto: Wiener Stadt- und Landesarchiv

Nach 1945 geriet er in US-Kriegsgefangenschaft. Wegen seiner Aktivitäten in der NS-Zeit wurde er 1948 vom Volksgericht Wien zu zwei Jahren schweren Kerker und Vermögensverfall verurteilt. Da ihm die Untersuchungshaft angerechnet wurde, war er Anfang 1948 wieder auf freiem Fuß.

Bis zu seinem Ableben fiel Kowarik immer als Antikommunist auf. Er engagierte sich in der World Anti-Communist League (WACL), besuchte rechtsgerichtete Diktaturen und wurde im Weißen Haus in den USA empfangen, wie in einem Nachruf einer rechtsextremen Zeitschrift zu lesen war.

Offiziell brach der US-Geheimdienst 1950 mit Höttl, nachdem er belanglose oder falsche Informationen geliefert hatte. Er gründete daraufhin eine Maturaschule im steirischen Altaussee, die 1980 Konkurs anmelden musste. (Markus Sulzbacher, 3.8.2019)