Im Gastkommentar zeigt sich Schriftsteller Ludwig Laher beunruhigt, mit welchen Reaktionen Kunstschaffende, die die Gewaltentrennung verteidigen, hierzulande zu rechnen haben.

Herbert Kickl sagte noch als Innenminister und bei klarem Verstand, dass das Recht der Politik zu folgen habe und nicht umgekehrt.
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Als Innenminister Herbert Kickl, ohne dass es für ihn Konsequenzen gehabt hätte, zu Jahresbeginn davon sprach, das Recht habe der Politik zu folgen und nicht umgekehrt, schrillten bei vielen geschichtsbewussten Menschen in diesem Land die Alarmglocken.

Auch die Schriftstellerinnen und Schriftsteller meldeten sich umgehend zu Wort. Unser Text illustrierte die Ungeheuerlichkeit von Kickls Aussage unter anderem mit einem Zitat aus einer schriftlichen Drohung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). 1941 herrschte sie einen mutigen Staatsanwalt an, es sei "völlig abwegig und ausgeschlossen, dass die Staatsanwaltschaft die Gesetzmäßigkeit von Maßnahmen der Verwaltungsbehörde oder einer Parteidienststelle überprüft."

Reichsgau Oberdonau

Was war geschehen? In dem vom Reichsgau Oberdonau errichteten Innviertler Arbeitserziehungslager Weyer brachte die SA munter Häftlinge um, die von Bürgermeistern und anderen nationalsozialistischen Funktionären oft aus privaten Rachegelüsten eingewiesen worden waren. Aufgrund einer Anzeige des Lagerarztes, der die Fake-Todesursachen auf den Sterbedokumenten nicht länger bestätigen wollte, machte sich Oberstaatsanwalt Josef Neuwirth an die Arbeit. Nach ausführlichen Ermittlungen kamen der Lagerkommandant und einige der Aufseher in Untersuchungshaft, an einer Anklageschrift wurde gearbeitet.

Mord und Totschlag, für die NSDAP nichts weiter als "Maßnahmen der Verwaltungsbehörde oder einer Parteidienstelle", waren auch im Dritten Reich de jure verboten. Doch die Pressionen gegen den Staatsanwalt wurden immer heftiger, schließlich schlug die Berliner Reichskanzlei höchstselbst die Verfahren nieder.

Rücktrittsaufforderung

Unsere mit einer Rücktrittsaufforderung an den Innenminister garnierte Erklärung wurde von mehr als 300 namhaften Persönlichkeiten unterzeichnet, darunter Barbara Frischmuth, Josef Hader, Elfriede Jelinek, Daniel Kehlmann, Michael Köhlmeier, Karl Markovics, Anna Mitgutsch, Cornelius Obonya, Willi Resetarits, David Schalko, Robert Schindel, Raoul Schrott, Peter Turrini und Renate Welsh.

Dass dieses zivilgesellschaftliche Engagement in den immer noch so genannten sozialen Netzwerken keine ungeteilte Zustimmung finden würde, davon war auszugehen. Ein extremes Posting, das auf der FPÖ-Fan-Club-Seite zu lesen stand, wollte die IG Autorinnen und Autoren allerdings nicht unbeeinsprucht lassen. Mit vollem Namen meinte dort ein gewisser Herbert T. (49): "Super jetzt haben wir eine Liste, und wenn es dann so weit ist, wissen wir, wer abgeholt werden muss."

Unverhohlene Drohung

Diese unverhohlene Drohung eines kollektiven 'Wir', Kunstschaffende, die die Gewaltentrennung verteidigen, abholen zu lassen (in welches Lager wohl diesmal?), machte IG-Autoren-Geschäftsführer Gerhard Ruiss in einer Sachverhaltsdarstellung der zuständigen Staatsanwaltschaft Innsbruck zugänglich. Die nahm Ermittlungen gegen T. auf und stellte sie wieder ein, denn es "ist davon auszugehen, dass dieser das inkriminierte Posting unter dem Einfluss starker Medikamente geschrieben hat, sodass insgesamt dessen Absicht, einen anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen, nicht nachweisbar ist."

Na wenn das so ist. Herbert T.s Facebook-Seite macht übrigens mit weiblichen Riesenbrüsten und einem FPÖ-Badge auf, als Lieblingszitat benennt er "Die Fahne ist mehr als der Tod". Herr T. gesteht also freimütig ein zu wissen, dass dieser elende Satz ein Zitat ist, und zwar schließt so Baldur von Schirachs Fahnenlied der Hitler-Jugend.

Verbotenes Lied

Dieses ist zwar, wie die einschlägige Website Metapedia offen zugibt, in Deutschland und Österreich verboten, wird dort aber natürlich vollständig abgedruckt. Kostprobe gefällig? "Ja, durch unsre Fäuste fällt, / wer sich uns entgegenstellt. / Jugend! Jugend! Wir sind der Zukunft Soldaten. / Jugend! Jugend! Träger der kommenden Taten. / Führer, wir gehören dir, wir, Kam'raden dir! / Unsre Fahne flattert uns voran. / In die Zukunft ziehn wir Mann für Mann. / Wir marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not. / Mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot. / Unsre Fahne flattert uns voran. / Unsre Fahne ist die neue Zeit. / Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit! / Ja, die Fahne ist mehr als der Tod!"

Wir können also völlig beruhigt sein. (Ludwig Laher, 2.8.2019)