"Sie wollte nicht aus dem Tal heraus" schrieb Walter Pichler unter eine Zeichnung ("Trennung", 2010) aus dem Zyklus "Für meine Mutter". Zu sehen derzeit in der Schindler-Villa in Telfs.

Foto: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman/ Elfi Tripamer

Die steilen Felswände des Südtiroler Eggentals bieten kaum Halt für eine, die gewaltsam an den Füßen herausgezogen wird. "Sie wollte nicht aus dem Tal heraus", schrieb Walter Pichler 2004 unter diese Zeichnung aus dem Zyklus Für meine Mutter. Er ist die berührende Biografie einer Entwurzelten, steht stellvertretend aber auch für das Schicksal vieler anderer Frauen ihrer Generation.

Der Bildhauer und Zeichner Walter Pichler wurde 1936 als jüngstes von neun Kindern in eine Südtiroler Familie geboren. 1940 optierte der Vater für Deutschland, die Familie wanderte aus und landete in der Südtiroler Siedlung in Telfs, die Pichler, wie er später einmal sagte, als "Ghetto" empfand. "Ich war damals fünf Jahre alt und darüber sehr unglücklich, nur meine Mutter, wenn ich mich recht erinnere, war noch unglücklicher", so der 2012 verstorbene Künstler.

Ins Eggental ist Pichler oft zurückgekehrt, 2002 hat er eine seiner zwischen Skulptur und Architektur angesiedelten Behausungen hineingebaut: Das "Haus neben der Schmiede", die dort einst der Großvater betrieben hat, ist auch ein Gedankengebäude über die Erinnerung.

Von Gewalt erzählen

In Pichlers Zeichnungen wird ein Brunnentrog zum Totenbett des Großvaters und die Brücke über einen herabstürzenden Gebirgsbach der Weg, den die Mutter unfreiwillig geht. Ihrem Schmerz nähert sich der Künstler sowohl in stillen, reduzierten Blättern wie dem Bild Die silberne Schürze meiner Mutter (1979) als auch in expressiven Zeichnungen, die von Gewalt erzählen. Eine Schwester Pichlers wurde im NS-Euthanasieprogramm ermordet.

In Telfs hat Pichler zeitlebens nie ausgestellt. In den Überresten jener Südtiroler Siedlung, in der er aufgewachsen ist, zeigen derzeit die Tiroler Volksschauspiele Felix Mitterers Verkaufte Heimat. Unweit davon ist in der Villa Schindler nun der Zyklus Für meine Mutter zu sehen.

Auf einem Porträt von Clegg & Guttmann wacht Pichler selbst über die Schau, sie entpuppt sich am Ende als noch berührenderer Beitrag zum Thema Option als das Geschehen auf der Theaterbühne. Wobei darin Designentwürfe wie der Galaxy Chair aus den 1960er-Jahren eher wie Fremdkörper daherkommen. Aber auch das passt ja irgendwie ins Bild. (Ivona Jelcic, 3.8.2019)