Ludmilla Starzinger (54) studierte in Salzburg Psychologie, gründete 1995 eine Betriebs-Werbeagentur und übernahm 2010 die Gesamtverantwortung im Unternehmen. Aktiv ist die leidenschaftliche Hobbygärtnerin auch im Vorstand des Tourismusverbands Vöcklabruck.

Foto: Werner Dedl

Ludmilla Starzinger nimmt an dem großen Besprechungstisch in der vor zwei Jahren neu gebauten gläsernen Firmenzentrale in Frankenmarkt Platz. Im großen Getränkeregal an der Wand teilen sich diverse Durstlöscher den Platz. Die Chefin entschuldigt ihren Sohn, der Prokurist im Unternehmen ist, und ordert entspannt einen Espresso.

Starzinger: Darf's für Sie auch ein Kaffee sein?

STANDARD: Danke, nein. Lieber eine Schartner Bombe. Orange, wenn möglich.

Starzinger: Das sollte bei uns im Haus kein Problem sein.

STANDARD: Herrlich. Da werden Erinnerungen wach: Schulbuffet, Freibad, der Gasthausbesuch mit der Oma. Schartner Orange und Zitrone waren für viele das wahrscheinlich häufigste Getränk nach der Muttermilch. Weckt das Kultgetränk auch bei Ihnen heute noch Kindheitserinnerungen?

Starzinger: Meine getränkelastigen Kindheitserlebnisse stehen eher in Verbindung mit Bluna und Afri-Cola. Ich bin im Unternehmen aufgewachsen, und wir waren damals ein reiner Lizenzbetrieb. Ich bin also mit Viel-Limonade-Trinken groß geworden.

STANDARD: Was Ihnen jetzt wenig Applaus von gesundheitsbewussten Eltern einbringen wird.

Starzinger: Geh bitte – ich kann diese ganze "Böse Limonade"-Diskussion schon nicht mehr hören. Ich geh doch auch ins Kaffeehaus und kaufe mir einen Kuchen. Das leiste ich mir halt. Aber ich esse nicht kiloweise Kuchen. Und ich trinke auch nicht literweise Limonade. Die Limonade ist doch kein Feindbild, nur weil Zucker drin ist. Zucker ist ja nichts Schlechtes. Hätte ich noch kleine Kinder, so würde ich denen eher eine Zuckerlimonade als ein Kracherl mit Süßstoff geben. Wir verkaufen ja letztlich eigentlich ein Naturprodukt.

STANDARD: Faktum ist aber, dass die Fettleibigkeit bei Kindern stetig steigt. Ebenso werden Krankheiten wie Diabetes bei Kindern immer häufiger.

Starzinger: Wenn man schon darüber diskutiert, muss man das Gesamtpaket aufmachen. Daran ist nicht die Limonade schuld. Die Kinder bewegen sich viel zu wenig. Die Kinder sitzen stundenlang in der Schule, haben immer weniger Turnunterricht. Und daheim sitzen sie dann vor dem Fernseher oder PC. Ich bin als Kind ständig draußen und in Bewegung gewesen. Mittags wurde immer frisch gekocht. Und ich habe literweise Limonade getrunken – ohne dick zu werden.

STANDARD: Zurück zur Schartner Bombe. Die war zwar nicht Ihr bevorzugtes Jugendgetränk, für das Unternehmen und vor allem für Ihre Karriere im Unternehmen war die Bombe in der grünen Flasche dennoch sehr prägend, oder?

Starzinger: Ehrlich, mein Herzblut hängt an der Schartner Bombe. Mit dem Kauf von Schartner Bombe haben wir das erste Markenprodukt erworben – und das Unternehmen zum Markenartikler umgewandelt. Wir hatten plötzlich eine ganz andere Anforderung mit einer eigenen Marke. Und es war eigentlich mein richtiger Eintritt in das Unternehmen.

STANDARD: Inwiefern?

Starzinger: Ich habe aufgrund der neuen Marke eine firmeneigene Werbeagentur gegründet. Die Schartner-Marke war damals tot. Sie hat der Brauunion gehört – und dort hat man sich mehr auf das Bier konzentriert. Für uns war daher klar, dass wir uns intensiv damit beschäftigen müssen.

STANDARD: Reicht der Kultstatus alleine, um so ein Getränk wieder zum Leben zu erwecken? Alle wollen doch heute irgendwelche pseudogesunden Lifestyle-Saftln, oder?

Starzinger: Es hat schon Mut dazugehört, das Projekt Schartner zu starten. Wir hatten auf diesem Gebiet eigentlich keine Erfahrung – und mussten bei null anfangen. Denn das Limonaden-Zielpublikum sind vor allem Kinder. Die Schartner-Generation war 1995 aber schon erwachsen, und die Jungen konnten mit der Marke eigentlich nichts anfangen. Und die Tradition alleine bringt keine Verkaufszahlen. Aber die Schartner Bombe gehört bitte zu Österreich. Die ist knapp 100 Jahre alt und wichtiger Teil der heimischen Kultur. Und ein Produkt, das sich immer treu geblieben ist.

STANDARD: Brachten Ihr Einstieg im Unternehmen und die forcierte Neuausrichtung nicht auch ausreichend Stoff für familieninterne Diskussionen mit sich? Oder war Ihr Vater gleich dabei und begeistert?

Starzinger: Natürlich nicht. Ganz so leicht war das nicht. Wir haben uns ja damals gewandelt. Mein Vater hatte keine Erfahrung und zu Beginn auch wenig Verständnis für gewisse Werbeausgaben. Dieser Bereich war es aber, der es mir ermöglicht hat, in der Firma eigenverantwortlich Fuß zu fassen. In allen anderen Bereichen war es ja so, dass mein Vater ohnehin niemanden hinzugelassen hat. Er war eine One-Man-Player. Er hat das Unternehmen ganz anders geführt. Mein Vater pflegte eher einen patriarchalen Führungsstil. In seiner Ära war das notwendig und auch wichtig. Nur so konnte er das Unternehmen zu einer beachtlichen Größe aufbauen. Und er hat immer darauf geschaut, dass das Unternehmen sehr kostengünstig aufgestellt ist. Erst wie die Marke gekauft wurde, hat mein Vater plötzlich gemerkt, dass das ein Metier ist, in dem er keine Erfahrung hat. Und somit hat er mich bei der Führung der Agentur relativ alleine schalten und walten lassen. Und ich habe mein Ressort erweitert. Nachdem es gut funktioniert hat, war dann auch mein Vater zufrieden.

STANDARD: Sie haben Psychologie studiert, wollten einen anderen Weg gehen – und sind letztlich doch im Familienunternehmen gelandet. Gibt es so etwas wie eine Verpflichtung zur Übernahme?

Starzinger: Ich wollte eigentlich nie Unternehmerin werden. Ich habe das als Kind tagtäglich miterlebt. Diese Aufbauphase mit all den Risiken. Das ständige "Schaffen wir das?". Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich mein Leben so verbringe. Ab dem Zeitpunkt, als klar war, dass auch mein Bruder einen anderen Weg einschlagen wird, war der Druck für mich enorm. Mein Vater hat gesagt: "Mädl, warum studierst Psychologie. Das brauchen wir doch nicht im Unternehmen." Und immer der Satz: "Daheim hättest alles." Aber was hätte ich daheim getan? Mein Vater hat ja in der Firma eh immer alles alleine gemacht, wie er es immer gewohnt war. Letztlich war es für mich ein langer Weg. Aber ich habe dennoch in der Firma alle Bereiche durchlaufen: Ich habe im Lager gearbeitet, bin Stapler gefahren, habe die Kisten in die Keller geschleppt. Diese Erfahrungen möchte ich nicht missen.

STANDARD: Die Rahmenbedingungen im österreichischen Getränkegeschäft sind rau, international dominieren große Getränkekonzerne. Ihre Firma hat dennoch den Sprung in die fünfte Generation geschafft. Ihr Familienunternehmen ist in seiner Branche in Österreich nahezu das Letzte seiner Art. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Starzinger: Es hilft uns das neue Heimatgefühl. Die Konsumenten greifen wieder verstärkt auf heimische Produkte zurück. Es schafft Vertrauen, wenn ich weiß, woher mein Wasser kommt. Muss ich Wasser aus Italien zu uns bringen, wenn ich weiß, dass Österreich ein Wasserland mit der besten Qualität ist? Gerade die gehobene Gastronomie bildet sich doch oft ein, dass es besonders super ist, wenn man ein Mineralwasser von weiß der Kuckuck woher auf den Tisch stellt. Ein echter Irrsinn. (INTERVIEW: Markus Rohrhofer, 4.8.2019)