Nationalismus ist in der Türkei tief verankert – so tief, dass sich auch gewöhnliche Bürger mit geostrategischen Dingen beschäftigen. Gerade sorgt Ahmet Çakin für Aufsehen. Der gelernte Schmied aus der Provinz Busra fährt mit einer selbstgebauten Attrappe des russischen Raketenabwehrsystems S-400 durch die Gegend. "Ich bin ein Mensch, der sein Land abgöttisch liebt", sagte er der Zeitung Sabah: "Die Menschen, die mich sehen, lieben es." Er bringt die Stimmung vieler Türken zum Ausdruck: Wir lassen uns nicht von den USA vorschreiben, welche Waffen wir kaufen.

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Das russische Raketenabwehrsystem S-400
Foto: reuters / vitaly nevar

Doch der türkische Eigensinn könnte sich noch rächen: Denn Russland ist letztlich der große Gewinner im Streit um das Raketenabwehrsystem S-400. Zum ersten Mal in der Geschichte der Nato hat ein Mitglied des Verteidigungsbündnisses ein russisches Waffensystem gekauft. Dementsprechend souverän dürfte Moskau auch auf dem 13. Astana-Treffen, das am Freitag begonnen hat, auftreten. In der kasachischen Hauptstadt treffen sich Gesandte der Türkei, des Iran und Russlands, um über das weitere Vorgehen in Syrien zu beraten.

Insbesondere geht es dabei um die Situation im umkämpften Idlib, den Austausch von Gefangenen und die Suche nach Vermissten. Im Großen und Ganzen stehen keine Themen auf der Agenda, bei denen sich die Teilnehmer in die Haare kriegen können.

Streit mit den USA

Mit den USA dagegen häufen sich die Konflikte. Seit Jahren will Ankara einen 35 Kilometer tiefen Sicherheitskorridor auf der syrischen Seite der Grenze einrichten. Die kurdischen Milizen, die als verlängerter Arm der PKK gelten, sollen dieses Gebiet verlassen. Washington dagegen möchte eine wesentlich schmalere Zone mit gemeinsamen Patrouillen von Nato-Ländern. Bisher ist keine Einigung in Sicht.

Gut möglich ist, dass es bei dem Treffen der Staatschefs auch um weitere russische Waffenlieferungen an die Türkei gehen wird. Nach der Abwicklung des S-400-Kaufs hat die Nato die Türkei aus den Lieferketten des US-amerikanischen Kampfjets F-35 geworfen. Die Gefahr, dass sensible Daten in russische Hände gelangen könnten, sei zu groß.

Als Reaktion darauf hat der türkische Präsident Tayyip Erdogan nun angekündigt, dann eben russische SU-35-Kampfflugzeuge zu kaufen. Die russische Waffen firma Rostec reagierte darauf positiv: Man sei bereit, die Flugzeuge an Ankara zu liefern, wenn es gewünscht werde. (Philipp Mattheis, 2.8.2019)