Franz Fischler könnte sich durchaus eine Minderheitsregierung vorstellen.

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Wien/Brüssel/Straßburg – Der frühere EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) hat sich am Samstag im Hinblick auf den Ruf Österreichs skeptisch gegenüber einer neuerlichen Koalition seiner Partei mit der FPÖ geäußert. "Nirgendwo wird verstanden, dass es mit derartigen Parteien eine Regierung gibt", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal". Offen zeigte er sich für eine Minderheitsregierung.

Fischler bezog sich in seiner Kritik an der FPÖ nicht nur auf Ex-Innenminister Herbert Kickl, sondern auch auf inhaltliche Fragen und das Thema der Geschichtsaufarbeitung der Freiheitlichen. "Vor allem sollte man sich sehr, sehr gut überlegen, ob man mit dieser Partei noch irgendetwas im Schilde führt, weil die internationale Reputation Österreichs darunter leidet. Da geht es nicht nur um die Regierungsparteien alleine, sondern da geht es um Österreich", sagte er.

Für eine endgültige Koalitionsabsage sah er derzeit, also vor der Nationalratswahl, nicht den richtigen Zeitpunkt. Es sei dafür zu früh. Nicht abgeneigt zeigte er sich gegenüber einer Minderheitsregierung. Anfang der 1970er Jahre habe dies zwischen SPÖ und FPÖ funktioniert. "Man soll nicht so tun, als wenn das undenkbar wäre."

Hahns Rolle noch unklar

"Erst herausstellen" wird sich laut Fischler, welches Portfolio Johannes Hahn in seiner dritten Amtszeit als EU-Kommissar bekommen wird. Österreich sei bei der Nominierung Hahns dem Wunsch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen "nicht nachgekommen", sagte Fischler. "Der Wunsch von Frau von der Leyen wäre natürlich gewesen, dass Österreich nicht nur einen Mann, sondern auch eine Frau nominiert." Von der Leyens Anspruch, die Kommission je zur Hälfte mit Frauen und Männern zu besetzen, sei "mutig", fügte er hinzu. In diesem Punkt sei aber noch viel zu tun.

Fischler äußerte die Hoffnung, dass die von der Leyen den Erweiterungsprozess "wiederbelebt". Als Erweiterungskommissar sei Hahn in der aktuellen Amtszeit "von vornherein gehandicapt" gewesen, weil Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker betont habe, dass es unter seiner Amtszeit keine Erweiterung geben werde.

Das Gezerre im die Juncker-Nachfolge nannte Fischler ein "jämmerliches Machtspiel", von dem Ursula von der Leyen die Leidtragende gewesen sei.

Klimafrage entscheidend

Das ununterbrochene Diskutieren über Migration auf europäischer Ebene sollte ein Ende finden, so Fischler. Als "richtig" bezeichnete er, dass von der Leyen die Klimafrage "zur zentralen Frage erklärt" habe. Damit höre man nämlich "endlich einmal auch auf die Stimmen der jungen Leute in Europa".

Auf die Frage nach einer CO2-Steuer, die von der ÖVP abgelehnt wird, äußerte sich Fischler diplomatisch. Man sollte "überlegen, ob man eine solche Umweltsteuer nicht auf europäischer Ebene einführt", so Fischler, der zugleich auf die im europäischen Vergleich "völlig unterdurchschnittliche Besteuerung von Ressourcen und Umwelt" in Österreich hinwies. "Hier ein europäisches Mittelmaß zu haben, wäre durchaus vernünftig."

Fischler forderte zudem die künftige Regierung auf, das Thema leistbares Wohnen in die Regierungsverhandlungen mit aufzunehmen. (APA, 3.8.2019)