Donald Trump gibt sich siegessicher. Seine Wahlkampfhelfer gaben indes unter der Hand zu, dass er rassistische Äußerungen verwende, um die Wahl 2020 zu gewinnen.

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Im Gastkommentar widmet sich die Washingtoner Journalistin und Buchautorin Elizabeth Drew der "jüngsten Phase präsidentieller Selbstverherrlichung": "Hasserfüllte Rhetorik wurde in der US-Geschichte oft eingesetzt, aber kein Präsident hat so etwas jemals offen ausgesprochen".

Die Ereignisse der letzten Wochen haben die derzeitige Verwundbarkeit der Vereinigten Staaten deutlich werden lassen, nicht in militärischer Hinsicht – das ist ein eigenes Thema –, sondern in anderer gefährlicher Weise. Im Gegensatz zu einigen Kommentatoren würde ich nicht sagen, dass die amerikanische Demokratie in den letzten Zügen liegt, aber sie ist mit Gefahren konfrontiert, mit deren Eintreten nur wenige gerechnet haben.

Die autokratischen Tendenzen von Präsident Donald Trump sind in letzter Zeit ausgeprägter zutage getreten als je zuvor. Er hat mehrere Gerichtsverfahren verloren, bei denen seine Machtbefugnisse auf dem Prüfstand standen. Nun sind er und der republikanisch kontrollierte Senat damit beschäftigt, an den Bundesgerichten konservative Richter zu installieren, und die Auswirkungen der Ernennung zweier ultrakonservativer Höchstrichter sind bereits sichtbar. Dies zeigt sich beispielsweise an der jüngsten Entscheidung, Trump die Verwendung von Finanzmitteln des Pentagons für den Bau einer Mauer entlang der US-Grenze zu Mexiko zu gestatten. Sollte Trump wiedergewählt werden, wird er den Obersten Gerichtshof wohl komplett unter seine Kontrolle bringen.

Geschichtsverdrehungen

Die jüngste Phase präsidentieller Selbstverherrlichung nahm ihren Anfang, als Trump die Feierlichkeiten zum amerikanischen Unabhängigkeitstag, dem Independence Day, vereinnahmte. Traditionell versammeln sich in Washington an diesem Tag Familien auf der Mall oder an anderen Orten rund um die Hauptstadt, um sich die Feuerwerke anzusehen. Aber seit Trump 2017 Frankreichs Militärparade am französischen Nationalfeiertag sah, wollte er sein eigenes Spektakel. Das Pentagon hielt ihn auf, solange es ging, aber dieses Jahr bekam er nun eine Art Parade: Militärflugzeuge überflogen die Hauptstadt, und Panzer parkten vor dem Lincoln Memorial, wo Trump seine Ansprache hielt.

Vor der Statue Lincolns (von dem ich fast damit gerechnet hätte, dass er angewidert aufsteht und geht) wurden spezielle Tribünen errichtet und Sitze für republikanische Geldgeber reserviert. Es ist höchst ungewöhnlich, dass ein Präsident am 4. Juli öffentlich spricht, aber Trump hielt eine lange Rede, in der er gelegentlich auch die Geschichte verdrehte. So hatte es beispielsweise den Anschein, als ob er glaube, die USA verfügten während des Unabhängigkeitskrieges über Flughäfen.

Zusammenbruch demokratischer Schutzmechanismen

Die Amerikaner wiegen sich gern in dem Glauben, dass ihre Demokratie über so etwas wie Schutzmechanismen verfügt, die in Ermangelung spezieller Gesetze gewissen Verhaltensformen einen Riegel vorschieben und so sicherstellen, dass führende Persönlichkeiten gewisse Dinge einfach nicht tun. Das ist Teil dessen, was die USA zusammenhält – oder zusammengehalten hat. Doch nur wenige Tage nach den Feierlichkeiten vom 4. Juli eliminierte Trump einen weiteren wichtigen Schutzmechanismus, indem er eine rassistische Tirade gegen vier farbige linke Kongressabgeordnete vom Stapel ließ: Wenn sie Amerika nicht mögen, so twitterte er, können sie gern dorthin "zurückkehren", von wo sie gekommen sind. Diese hasserfüllte Rhetorik wurde in der gesamten US-Geschichte oftmals eingesetzt, aber kein Präsident hat so etwas jemals offen ausgesprochen.

Doch schon bald sollte er auf ein noch tieferes Niveau sinken. Bei einer Wahlkampfveranstaltung am 17. Juli in North Carolina stand Trump einfach da, als die Menge "Schick sie zurück" skandierte, nachdem er die Abgeordnete Ilhan Omar aus Minnesota angegriffen hatte. Omar verkörpert Trumps Vorurteile samt und sonders: Sie ist eine dunkelhäutige muslimische Einwanderin mit antiisraelischer Haltung.

Trump erkennt "von Ratten befallenes Drecksloch"

Sogar einige republikanische Kongressabgeordnete, die sich fast nie mit Trump anlegen, äußerten leises Unbehagen über die Boshaftigkeit des Sprechchores. Das veranlasste Trump eine schon bekannte Volte zu vollziehen: Am Tag darauf versuchte er sich von den Sprechchören zu distanzieren, indem er behauptete, er hätte sie rasch beendet, nur um den Skandierern tags darauf zu versichern, dass er sie für wunderbare Menschen hält.

Freilich legte Trump über weite Strecken seines Erwachsenenlebens Rassismus an den Tag. Als er und sein Vater beschuldigt wurden, sie würden Afroamerikaner von ihren Wohnprojekten fernhalten, haben sie den Fall außergerichtlich mit dem Justizministerium beigelegt. Vor seiner Präsidentschaftskandidatur stellte er die Unwahrheit in den Raum, Präsident Barack Obama sei in Afrika geboren worden. Später attackierte er Elijah Cummings, einen schwarzen Abgeordneten, der einen Teil der Stadt Baltimore im Bundesstaat Maryland vertritt.

Als Vorsitzender des Aufsichtsausschusses des Repräsentantenhauses äußerte sich Cummings höchst kritisch über die Bedingungen, unter denen an der südlichen Grenze der USA aufgegriffene Migranten festgehalten werden. In seinen Tweets vom letzten Wochenende bezeichnete Trump Baltimore als "widerliches, von Ratten und Nagetieren befallenes Dreckloch". Trumps Wahlkampfhelfer haben Journalisten gegenüber privat zugegeben, dass sie erwarten, die Angriffe auf Schwarze und Hispanics würden Trump 2020 helfen.

Muellers Bericht entlastet Trump nicht

Die jüngste Erinnerung an die Verwundbarkeit des demokratischen Wahlsystems der USA waren die Aussagen Robert Muellers im Rahmen zweier Anhörungen im Kongress am 24. Juli. Die Macht der Worte Muellers ging in all dem medialen Gerede über die Anzeichen seiner Gebrechlichkeit fast verloren. Doch obwohl der hochgewachsene Kriegsheld, ehemalige FBI-Direktor und weithin anerkannte frühere Sonderbeauftragte manchmal etwas durcheinanderbrachte, ließen seine knappen Antworten vor dem Justiz- und dem Geheimdienstausschuss zwei Dinge offenkundig werden: Russland hatte weitreichende und möglicherweise erfolgreiche Anstrengungen unternommen, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2016 zu beeinflussen – was Trump immer noch bestreitet –, und versucht bereits, die nächsten Wahlen 2020 zu beeinflussen. "Sie machen das, während wir hier sitzen", so Mueller.

Und entgegen den Behauptungen Trumps und seines Lakaien, Justizminister William Barr, stellte Mueller erneut fest, dass sein Bericht den Präsidenten nicht entlastet. Noch erstaunlicher war Muellers Beharren darauf, dass verschiedene Menschen im Umfeld Trumps und auch Trump selbst den Wahlkampf (und vermutlich die Präsidentschaft) zur Selbstbereicherung benutzt hätten und dass derartige Arrangements Trump und andere – wie seinen Schwiegersohn Jared Kushner – anfällig für Erpressungen ausländischer Förderer machen. Außerdem behauptete Mueller unaufgefordert, dass es ein Verbrechen ist, Wahlkampfhilfe aus dem Ausland anzunehmen, wie Trump es 2016 getan hat.

Mueller erinnerte alle weltoffenen Amerikaner daran, dass die Schutzmechanismen unseres demokratischen Wahlprozesses gerade zusammenbrechen. In einem Interview mit George Stephanopoulos meinte Trump, er würde Hilfe aus dem Ausland wieder annehmen. Nach einem Aufschrei nahm er diese Äußerung zurück, wenngleich nur teilweise.

Russische Einmischung

Tatsächlich sagte der derzeitige FBI-Direktor Christopher Wray am Tag vor Muellers Aussage gegenüber dem Justizausschuss des Senats: "Die Russen sind absolut entschlossen, sich in unsere Wahlen einzumischen." Und am Tag nach Muellers Befragung veröffentlichte der Geheimdienstausschuss des Senats einen Bericht, in dem festgehalten wird, dass Russland auch in die nächste Präsidentenwahl eingreifen werde und dass Länder wie Saudi-Arabien, der Iran und China ebenfalls über die Kapazitäten verfügen würden, sich in die US-Wahlen einzumischen.

Trotz dieser Warnungen blockierte der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, die Prüfung zweier Gesetzesvorlagen zur Stärkung der US-Wahlsicherheit mit der Begründung, die Demokraten versuchten sich damit einen "politischen Vorteil" zu verschaffen. Vermutlich gab McConnell nur Trumps Haltung hinsichtlich des Schutzes des US-Wahlprozesses gegen ausländische Einmischung wieder. Zumindest stellte McConnell damit jedoch klar, dass Trump und führende Republikaner die russische Einmischung in amerikanische Wahlen als einen Vorteil für sie betrachten. Damit machen sie sich alle mitschuldig, dass die US-Wahlen, das Herzstück der Demokratie, zum Ziel der böswilligen Einmischung von außen gemacht wird. (Elizabeth Drew, Übersetzung: Helga Klinger-Groier, Copyright: Project Syndicate, 5.8.2019)