Erst das Duett überzeugte: Agudo mit Kenny Wing Tao Ho.

Miernik

Der Flamenco ist eine feine Sache. Der indische Kathak auch. Und wenn jemand diese Tänze gut kann, wird das Zuschauen zum echten Vergnügen. Wie bei Jose Agudo, der zur Zeit mit "Silk Road" bei Impulstanz im Akademietheater unterwegs ist. Auf jeden Fall war das Vergnügen da. Man feierte die Tänzer, Agudo und Kenny Wing Tao Ho, genauso wie die Livemusiker Bernhard Schimpelsberger und Giuliano Modarellimit stehendem Applaus.

Obwohl sich beim richtig guten Können Zweifel regen: An den Flamenco-Virtuosen Israel Galván kommt Agudo nicht heran, und für einen Vergleich mit Joaquín Cortés war das von Rafael Amargo für Agudo choreografierte Solo zu farblos. Den Vergleich mit Akram Khan muss Agudo in seinem von Nahid Siddiqui geschaffenen Kathak-Solo bestehen – und fällt auch hier durch.

Zu wenig Indien

Ein so stark kulturgeschichtlich geprägter Tanz wie der klassische Kathak braucht auch ein Stück indischer Sozialisation im Tänzerkörper. Das kann Agudo nicht vorweisen. Er erinnert ein wenig an westliche Tänzer der Eighties, die sich so inbrünstig wie erfolglos dem Butô-Tanz hingaben. So berührt Jose Agudo eine seit rund fünf Jahren geführte Debatte über die zunehmende Abwehrhaltung "exotischer" Kulturen gegen die Ausbeutung ihrer Künste und Eigenheiten durch "weltoffene", geschäftstüchtige Westkünstler.

Dabei wird leider kaum auf qualitative Aspekte geachtet: Künstlerische "Appropriation" wirkt auf der Bühne meist banaler als das Original, da mit jeder solchen Aneignung eine Kontext, Detailwissen und Intensität verlorengeht. Jose Agudo hat intensiv mit Akram Khan zusammengearbeitet und den Kathak sicher brav gelernt. Gut, dass die typischen Glöckchen auch an seinen Fußgelenken schön klingen. Und zwar nach jener Effekthascherei, als die sich am Ende der gesamte Abend herausstellt.

Nur ein Vorspiel

Das Flamenco- und das Kathak-Solo sind die Vorbereitung auf den zweiten Teil von Silk Road: ein rasantes Duett von Agudo mit Kenny Wing Tao Ho. Dabei ist der Andalusier der Bühne nicht allein ausgeliefert. Ganz offensichtlich fühlt er sich sicherer mit seinem ihm ebenbürtigen Partner. Wohl auch deshalb liefern die beiden ein überzeugendes Duett ab, mit dem sie nur leider auch den Anspruch verbinden, in einer halben Stunde das Flair der ganzen Seidenstraße einfangen zu wollen.

Diese Hybris zeigt, dass Agudo auf Wirkungen spekuliert: Flamenco, indischer Tanz, gute Musik, Seidenstraße, ein bisschen Glanz von Akram Khan, und passt. Trotz berechtigten Jubels für Musik und Duett – das ist zu billig. (Helmut Ploebst, 4.8.2019)