Keine Geißlein, sondern Schafe hat ein Wolf in Tirol gerissen.

Foto: Heribert Corn

Diese Woche wird die DNA-Analyse Klarheit schaffen. War es ein Wolf, den Wilderer in Tirol erlegt und geköpft haben? Bislang deuten alle Spuren darauf hin. Der Fund des "wolfsähnlichen Kadavers" vergangene Woche im Tiroler Sellrain markierte den bisherigen Höhepunkt einer hitzigen Debatte um die Existenzberechtigung der großen Beutegreifer in den heimischen Wäldern. Ausgelöst wurde diese durch gerissene Schafe.

Seit belegt ist, dass ein Wolf für einige dieser Risse verantwortlich war, ist die Aufregung vor allem unter Tirols Landwirten groß. Man sieht die Almwirtschaft als Ganzes in Gefahr. Obwohl Bauern für Verluste entschädigt werden und es sich nur um eine Handvoll Fälle handelt.

Kampagne für Wolffreiheit

Dass in der Debatte um die Rückkehr des Wolfes die Rationalität das erste Opfer ist, zeigt ein Blick nach Südtirol. Dort hat die Bauernschaft eine Kampagne für ein "wolffreies Südtirol" gestartet und das Thema so zum Politikum gemacht. Ein eigenes Manifest wurde verfasst, und in dramatischen Appellen fürchten Mütter um ihre Kinder, die man wegen der Wölfe nicht mehr alleine nach draußen lassen könne. Dabei ist in Italien in den vergangenen 150 Jahren kein Wolfsangriff auf einen Menschen nachweisbar. Sogar Demonstrationen, zuletzt im Juni in Sterzing, wurden veranstaltet.

Die Landesregierung der autonomen Provinz hat angesichts des Drucks der Landwirte ein eigenes Gesetz erlassen, das ein Vorgehen gegen den Wolf in Südtirol erleichtern soll. Dabei zeigt ein Blick auf die Fakten, dass die geschürten Ängste jeder Grundlage entbehren. So bezifferte die Landesregierung die Schäden durch Wölfe im Jahr 2018 in der Landwirtschaft mit 8420 Euro. Die Beobachtungen von Wölfen in Südtirol, im Vorjahr waren es 13 Tiere, beschränken sich auf einzelne, umherziehende Tiere, die aus den Nachbarregionen wie dem Trentino einwandern.

Unterstützung erhalten Südtirols Bauern aus Nordtirol. So nahmen Landwirtschaftskammerpräsident Josef Hechenberger und der Nationalratsabgeordnete Hermann Gahr (ÖVP) an der Demo in Sterzing teil und riefen dort zu einem gemeinsamen Einsatz in der Wolfsproblematik auf. "Wenn der Wolf heute in Südtirol ist, ist er morgen in Nord- und Osttirol", wurde Hechenberger in Medienberichten zitiert. Er sollte recht behalten, die Debatte um die Bedrohung durch den Wolf wird diese Woche in Nordtirol aufflammen, wenn das DNA-Ergebnis vorliegt.

Senkung des Schutzes

Doch der Wolf wird sich mit legalen Mitteln kaum aufhalten lassen. Er steht unter strengem Artenschutz, und rund um Tirol leben bereits wieder tausende Tiere, die auf ihren Wanderungen auch Grenzen überschreiten. Darum fordern die Landwirte eine Senkung des Schutzstatus auf EU-Ebene. Sie wollen, dass sensible Zonen, etwa bewirtschaftete Almen, ausgewiesen werden, wo die Beutegreifer wieder bejagt werden dürfen.

Dass die Diskussion um den Wolf seit jeher eine emotionale war, zeigt ein Blick auf die Geschichte. Schon im ausgehenden 15. Jahrhundert stand der Wolf in Tirol im Zentrum sozialer Debatten. Damals nahm der Adel den Bauern das Recht, den Wolf zu bejagen. Die Landbevölkerung fühlte sich dem Raubtier ausgeliefert, wovon Berichte von "Wolfsplagen" zeugen.

Der Wolf im Dorfmuseum

In Absam wird sich aus aktuellem Anlass am kommenden Wochenende das Dorfmuseum diesem Thema mit mehreren Veranstaltungen widmen, wie Kurator Matthias Breit erzählt: "Der Wolf ist eine Art tierische Zeigerpflanze, die viel über die gesellschaftlichen Verhältnisse aussagt." Vor diesem Hintergrund sei auch die aktuelle Debatte rund um die Rückkehr des vermeintlich bösen Wolfes zu sehen. (Steffen Arora, 5.8.2019)