Ungarns akademische Gemeinde ist wieder einmal schockiert. Nach der Vertreibung der anerkannten, amerikanisch geführten Central European University (CEU) von Budapest nach Wien und nach der per Gesetz verfügten Herauslösung der Forschungsinstitute aus der ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA) stand nun die Besetzung des Chefpostens des neuen Trägers der herausgelösten Institute an.

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Viktor Orbán sorgt für eine umstrittene Personalie.
Foto: REUTERS/Carlos Barria

Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán gelang es dabei, die ohnehin niedrig hängenden Erwartungen noch grandios zu unterbieten, denn an die Spitze des sogenannten Lóránt-Eötvös-Forschungsnetzes (ELKH) setzte Orbán den 76-jährigen Altphilologen und Orientalisten Miklós Maróth.

Haarsträubende Fehler

In den langen Jahrzehnten seiner Tätigkeit hat Maróth kein wirklich bedeutendes wissenschaftliches Werk vollbracht. In seinen spärlichen Publikationen – darunter eine kurz vor der demokratischen Wende entstandene Akademie-Dissertation – fanden Rezensenten haarsträubende Fehler. Umso mehr bemühte sich der bekennende Katholik, sich der Politik anzudienen. Mit konservativem Rückenwind engagierte er sich nach der Wende beim Aufbau der katholischen Pázmány-Universität.

Mit Orbán soll ihn Freundschaft verbinden. Tatsächlich reihte sich Maróth ab 2015 in die Schar der Orbán-Propagandisten ein, die gegen muslimische Flüchtlinge hetzten und die zuvor eher gleichgültige ungarische Bevölkerung zu einer der fremdenfeindlichsten in Europa machten.

"Islamisierung Europas"

Mit der ihm zugeschriebenen wissenschaftlichen Autorität verkündete Maróth, dass sich muslimische Einwanderer nicht in Europa integrieren ließen. Die Menschen würden nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen, sondern mit der Absicht kommen, Europa mithilfe ihrer größeren Kinderzahl irgendwann zu "islamisieren" – eine Abwandlung der bei Islamhassern und Rechtsextremisten beliebten Verschwörungstheorie vom "großen Bevölkerungsaustausch". Auf einer Konferenz des regierungstreuen Instituts für Migrationsforschung empfahl Maróth 2016, renitente Muslime "in Schweinehäute zu packen". Dabei bezog er sich auf eine Urban Legend, der zufolge die Briten während des indischen Aufstands Mitte des 19. Jahrhunderts muslimische Rebellen vor dem Erhängen in Schweinehäute eingenäht haben sollen – das Schwein gilt Muslimen als unrein. (Gregor Mayer aus Budapest, 5.8.2019)