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Gegen illegales Abholzen und Brandrodungen im Amazonas-Regenwald sind Brasiliens Behörden in der Vergangenheit streng vorgegangen, jetzt ist vieles wieder erlaubt.

Foto: Reuters

Als Satellitenbilder für den Monat Juni einen dramatischen Anstieg der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes zeigten, hatte Brasiliens rechter Präsident Jair Bolsonaro nur eine Reaktion: alles Lügen. Dem Chef des staatlichen Weltrauminstitutes INPE, Ricardo Osório Galvão, warf er vor, das internationale Ansehen von Brasilien zu beschmutzen, und schimpfte über die "Umweltpsychose".

Dabei verwies Bolsonaro auf das erst kürzlich unterzeichnete Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Staaten des Mercosur-Bündnisses. Solche Berichte schadeten den Verhandlungen, empörte sich Bolsonaro. Brasiliens Umweltminister Ricardo Salles sprang dem Präsidenten bei. Die illegale Abholzung im Amazonas liege "fast bei null", ist er sicher.

Abholzung dokumentieren

Auch Salles sieht die Wissenschafter von INPE als die Schuldigen für die angeblich hohen Abholzungsraten an. Er will jetzt eine private Firma verpflichten, die die Abholzung dokumentieren soll.

Diese Episoden zeigen einmal mehr, wie die brasilianische Regierung die Realität ignoriert. Inzwischen sind rund 18 Prozent des Amazonas-Regenwaldes vernichtet. Prominente Klimaforscher warnen eindringlich, die Abholzung sei an einem Punkt, der nicht mehr umkehrbar sei. Brasilien ist eine Gefahr für das weltweite Klima.

Grüne Lunge in Gefahr

Wie Donald Trump in den USA habe Bolsonaro die Umweltgesetzgebung "praktisch außer Kraft gesetzt", sagt der brasilianische Klimaforscher Paulo Artaxo. Internationaler Druck, vor allem aus Frankreich und Deutschland, sei der einzige Weg, um den Rhythmus der Abholzung aufzuhalten.

Schon im Jahr 2018 wurde so viel Regenwald vernichtet wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. 2019 wird das Vorjahr sicher übertreffen, sind sich Experten sicher. Derzeit verschwindet im Amazonasgebiet, das auch als grüne Lunge bezeichnet wird, eine Waldfläche von bis zu drei Fußballfeldern pro Minute.

In dem zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay unterzeichneten Freihandelsabkommen sind die "effektive Umsetzung des Pariser Vertrags" sowie die Reduzierung der illegalen Abholzung in Brasilien auf null vorgesehen. Außerdem wird Brasilien verpflichtet, die Ausdehnung der Sojaplantagen in Waldgebieten zu beenden.

Kein politischer Wille

In der Regierung Bolsonaro gibt es allerdings überhaupt keinen politischen Willen, diese Verpflichtungen auch nur ansatzweise umzusetzen. Im Gegenteil: Aus Sicht Bolsonaros gibt es im Amazonasgebiet noch genügend Platz für Viehweiden und Sojaplantagen. Er will den Regenwald für den Bergbau freigeben und dafür Schutzgebiete und das Land von Ureinwohnern opfern. Umweltpolitik ist für ihn ein Hindernis für Wirtschaftswachstum.

Die im Freihandelsabkommen vereinbarten UmweltschutzStandards sind allerdings nicht vor der Welthandelsorganisation WTO einklagbar wie beispielsweise Zollvergehen. Einen Sanktionsmechanismus bei Nichteinhaltung der Umweltziele gibt es nicht. Warum sollte Brasilien wie von Bolsonaro angekündigt aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, fragt Klimaforscher Artaxo. "Es braucht doch die Ziele einfach nicht einzuhalten, es gibt überhaupt keine Strafe."

Dabei sei es sehr einfach, illegale Abholzung mit dem hochauflösenden Satellitensystem von INPE zu kontrollieren. "Wenn Brasilien die Abholzung stoppen will, kann das sehr schnell geschehen. Es mangelt nicht an Technologie, aber an politischem Willen", sagt Artaxo.

Kritik an Freihandelsvertrag

Auch Umweltorganisationen wie Greenpeace sehen das Freihandelsabkommen sehr kritisch. Hinter dem Abkommen stehen große Wirtschaftsinteressen, Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele werden vernachlässigt bis ignoriert, wie Greenpeace-Waldexperte Jannes Stoppel sagt. Dabei wird den europäischen Verbrauchern nach Ansicht von Greenpeace Sand in die Augen gestreut. Denn das Versprechen der Europäischen Union, europäische Standards seien durch diverse Schutzklauseln wie etwa das Vorsorgeprinzip auf keinen Fall bedroht, weist Greenpeace als nicht den Tatsachen entsprechend zurück.

In Brasilien sind Pestizide zugelassen, die auf dem europäischen Markt längst verboten sind. "Die damit produzierten Agrarprodukte landen auf dem europäischen Markt", argumentiert man bei der Umweltorganisation.

"Das Gleiche gilt für genmanipuliertes Soja", sagt Stoppel. "Zertifizierungsmechanismen ar-beiten oft mit Credit-Systemen. Das heißt nicht, dass Soja frei von Genmanipulation ist, sondern nur, dass sich das Unternehmen freikaufen kann." (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 4.8.2019)