Kristalina Georgiewa wurde von den EU-Mitgliedsländern als deren Kandidatin für die Nachfolge von Christine Lagarde an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) nominiert. Bis zum 16. September können sich noch weitere Kandidaten melden, den Europäern steht aber traditionell der Chefposten des IWF zu.

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Es ist nicht allein Kompetenz, die Kristalina Georgiewa (65) demnächst an die Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) bringen wird. Fachwissen wird der Bulgarin von vielen Seiten attestiert. Mindestens ebenso wichtig bei der heurigen Kür einer Kandidatin für den Chefposten des IWF war, dass Georgiewa aus Osteuropa stammt.

Diese Region, die mit dem Polen Donald Tusk als EU-Ratspräsident einen hochrangigen Vertreter im europäischen Politbetrieb hatte, schien beim diesjährigen Personalkarussell leer auszugehen. Bis zum Wochenende, als sich Georgiewa im Rennen um die Nachfolge für Christine Lagarde, die an die Spitze der Europäischen Zentralbank wechselt, unter anderem gegen den früheren Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem aus den Niederlanden durchsetzen konnte. Die Bestellung ist zwar noch nicht fix, aber so gut wie. Die Führung des IWF ist, anders als bei der Weltbank, wo die USA das Sagen haben, traditionell in europäischer Hand.

Georgiewa, die zeitweilig auch als mögliche Kommissions- oder Ratspräsidentin der EU gehandelt wurde, wird es von ihrem aktuellen Arbeitsplatz zur neuen Arbeitsstelle beim IWF nicht weit haben, sie ist seit 2017 Geschäftsführerin zweier Weltbank-Institute. Sowohl Weltbank als auch IWF haben ihren Sitz in Washington.

Alter erfordert Statutenänderung

Einzig Georgiewas Alter könnte für Diskussionen sorgen. Die studierte Ökonomin, die u. a. Stationen an der London School of Economics, am Massachusetts Institute of Technology und an der Harvard Business School absolviert hat, wird am 13. August 66 Jahre – zu alt für die Nominierung als IWF-Chefin. Eine Mehrheit im Gouverneursrat, dem obersten Gremium des Fonds, kann die Altersgrenze von 65 aufheben. Die USA haben Zustimmung signalisiert.

Bevor Georgiewa nach ihrem Weltbankdebüt 1993 Anfang 2017 nach Washington zurückkehrte, hatte sie als EU-Kommissarin in Brüssel gearbeitet, von 2015 bis 2016 war sie Vizepräsidentin der Kommission unter Jean-Claude Juncker. Ihr eilt der Ruf einer energischen, hartnäckigen Politikerin voraus, die einen "eisernen Willen" an den Tag legt, "wenn ihr ein Thema am Herzen liegt", wie Diplomaten sagen. Sie gilt als geschickte Verhandlerin, die überzeugen und Konsens herstellen kann.

Ein politisches Amt hatte Georgiewa in ihrer Heimat Bulgarien nie inne, sie steht jedoch der konservativen europäischen Volkspartei nahe. (Günther Strobl, 5.8.2019)