El Paso / Dayton – Innerhalb von 24 Stunden kamen am vergangenen Wochenende in den USA 30 Menschen bei Massakern ums Leben. Dutzende weitere wurden verletzt.

Das Massaker von El Paso wird von Ermittlern als inländischer Terrorismus eingestuft. Die Generalstaatsanwaltschaft erwägt eine Anklage wegen Hassverbrechens. Es steht im Raum, dass der Schütze die Stadt bewusst ausgewählt hat, da dort mehrheitlich Latinos leben.

Rhetorik weißer Nationalisten

In einem Pamphlet, das nach der Tat auftauchte, ist die Rede von einer "hispanischen Invasion in Texas", auf die der Angriff eine Antwort sei, sowie von "ethnischer Vertreibung" oder "Rassenmischung". Es ist die Rhetorik weißer Nationalisten, die hier verwendet wird. Auch auf das Buch "Der große Austausch", das als grundlegendes Werk der Identitären Bewegung in Europa gesehen wird, wird Bezug genommen. Am Sonntag gingen die Ermittler davon aus, dass das Pamphlet vom mutmaßlichen Schützen geschrieben worden war.

Terrorismusforscher Peter Neumann verlangt von der Politik eine verantwortungsvolle Sprache.
ORF
Die Stadt El Paso organisierte am Sonntag eine Mahnwache.
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Debatte über Trumps Rhetorik

US-Präsident Donald Trump sagte am Samstag vor Journalisten, er wolle den Menschen in El Paso und Dayton kondolieren. "Hass hat keinen Platz in unserem Land, und wir werden uns darum kümmern", fügte er hinzu.

Kritiker werfen Trump diesbezüglich mangelnde Glaubwürdigkeit vor: So sieht sich der US-Präsident verstärkt Vorwürfen ausgesetzt, er befeuere Rassismus im Land. Mehrere prominente Demokraten beschuldigten den Republikaner am Sonntag, er ebne mit seiner Rhetorik den Weg für Hassverbrechen.

Der demokratische Abgeordnete Adam Schiff erklärte am Sonntag auf Twitter: "Wenn der Präsident und andere Führungspersönlichkeiten sich einer rassistischen und entmenschlichenden Sprache bedienen, um Einwanderer und Muslime als Eindringlinge zu beschreiben, dann hören wütende und einsame Männer mit Waffen zu. Und sie schreiten zur Tat."

Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Beto O'Rourke, der aus El Paso stammt, sagte dem Sender CNN, neben einem Verbot kriegsartiger Waffen müsse man auch den Hass und den offenen Rassismus ansprechen, der von Fox News und dem Präsidenten komme. "Er ermutigt es. Er toleriert es nicht nur, er ermutigt es", sagte O'Rourke mit Blick auf Trump.

Eine Frau zündet eine Kerze in der Nähe des Tatorts an.
Foto: APA/AFP/Tama

Die Debatte über Trumps Rhetorik ist nicht neu. So feuerte er etwa erst kürzlich über Tage hinweg eine verbale Attacke nach der anderen auf vier Politikerinnen der Demokraten ab, empfahl ihnen etwa, in ihre vermeintlichen Heimatländer zurückzukehren, wenn es ihnen in den USA nicht gefalle. Alle vier Frauen sind US-Staatsbürgerinnen, drei von ihnen sind in den USA geboren. Aber alle sind People of Color, also nicht weiß. Rassismusvorwürfe wies er von sich.

Portal fördert Hassklima

Auch mit dem Portal 8chan, das der mutmaßliche Attentäter genutzt hatte, um seine Tat anzukündigen, wird in den USA jetzt abgerechnet. Das US-amerikanische Cyber-Sicherheitsunternehmen Cloudflare, das den Betrieb der 8chan-Server sicherstellt, will die Website nicht länger vor Cyberattacken schützen.

"Widerwillig dulden wir Inhalte, die wir als verwerflich empfinden, aber wir ziehen die Grenze bei Plattformen, die gezeigt haben, dass sie direkt tragische Ereignisse auslösen, die gesetzeswidrig sind", schreibt Cloudflare-CEO Matthew Prince in einer Mitteilung. Ab Mitternacht sei das Portal nicht mehr Kunde von Cloudflare. 8chan habe zwar nicht gegen das Gesetz verstoßen, es habe aber "eine Umgebung geschaffen, die dazu verleitet".

Es ist bereits der dritte Massenmord, der dort angekündigt wurde – wie schon die Angriffe auf eine Moschee im neuseeländischen Christchurch und auf eine Synagoge im kalifornischen Poway. Auch der Gründer des Portals, Fredrick Brennan, hat nach dem Attentat in El Paso zur Einstellung des Portals aufgerufen.

Debatte über Waffengesetze

Die ranghöchste Demokratin Nancy Pelosi forderte die Republikaner im Senat auf, sich Bemühungen anzuschließen, um die Waffengesetze im Land zu verschärfen. "Genug ist genug", erklärte sie.

Diesbezügliche Verschärfungen werden vor allem von Republikanern blockiert. Die mächtige Waffenlobbyorganisation NRA bekämpft vehement jeden Versuch, Waffenbesitz stärker zu regulieren. Auch Trump ist dezidiert gegen eine Einschränkung des Rechts auf Waffenbesitz, das in der US-Verfassung verankert ist.

Im Jahr 2019 kam es bereits zu 250 "mass shootings."
Foto: DER STANDARD

Auf die Frage, ob er etwas gegen die Waffenprobleme im Land tun werde, sagte Trump am Sonntag, seine Regierung habe bereits viel getan, aber vielleicht müsse mehr geschehen.

Er fügte hinzu, dass es bei Taten wie denen vom Wochenende auch um ein Problem psychischer Erkrankungen gehe. "Das sind Menschen, die sehr, sehr ernsthaft psychisch krank sind", erklärte er.

Sechs Mexikaner unter den Toten

Mexiko erwägt inzwischen ein Auslieferungsgesuch gegen den mutmaßlichen Schützen. "Wir werten diese Tat als einen Terroranschlag auf die mexikanisch-amerikanische Gemeinde und die mexikanischen Landsleute in den Vereinigten Staaten", sagte Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard, der am Montag nach El Paso reisen will, um sich mit Betroffenen zu treffen.

Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador sagte bei einem Besuch im zentralmexikanischen Bundesstaat Michoacán, seine Regierung verlange "mit Nachdruck" eine Bestrafung des Verantwortlichen. Unter den 20 Todesopfern waren nach Angaben des mexikanischen Außenministeriums auch sechs Mexikaner.

Motiv des Schützen von Dayton unklar

Unterdessen herrscht über das mögliche Motiv des Schützen in Dayton (Ohio) nach wie vor Unklarheit. "Wir haben darauf noch keine Antwort", sagte der stellvertretende Polizeichef Matt Carper dem Sender CNN.

Der Angreifer wurde von Polizisten erschossen. Auch die Schwester des Schützen befindet sich unter den neun Todesopfern. Nach Angaben von Bürgermeisterin Nan Whaley trug der Täter dunkle, schusssichere Schutzkleidung. Er habe eine Waffe mit vielen zusätzlichen Patronenmagazinen benutzt. Die Ermittler gehen davon aus, dass das schnelle Eingreifen der Polizei Schlimmeres verhinderte. Einsatzkräfte hätten ihn rund 30 Sekunden nach Beginn seiner Tat gestoppt, sagte Daytons Polizeichef Richard Biehl. (red, APA, 5.8.2019)