Das Volkskundemuseum wurde zuletzt mit dem österreichischen Museumspreis ausgezeichnet. Sein Gebäude, das Palais Schönborn, verfällt hingegen zusehends.

Matthias Klos, Volkskundemuseum Wien

Mit dem steirischen Universalmuseum Joanneum leitet er einen Multi, der von Ritterrüstungen über alte Meister bis hin zu Tierpräparaten nahezu alles im Programm hat. Als Chef des Museumsbunds weiß der Historiker Wolfgang Muchitsch aber auch, was sich bei den anderen über 700 Museen im Land abspielt. An die nächste Bundesregierung adressiert er den Wunsch nach einer österreichweiten Museumscard und einem Kollektivvertrag.

STANDARD: Wie sehen Sie die eineinhalb Jahre Kulturpolitik unter Gernot Blümel?

Muchitsch: Die Erwartungshaltung war groß, aber die Zugänglichkeit und Präsenz war nicht die, die man sich erhofft hat. In eineinhalb Jahren kann man aber auch nur wenig in Gang bringen. Andere Themen hatten für den Minister wohl Priorität.

STANDARD: Als Chef des Museumsbunds haben Sie das Reformpapier Weißbuch Bundesmuseen, von Blümels Vorgänger Drozda beauftragt, mitausgearbeitet. Wie steht es damit?

Muchitsch: Es ist normal, dass, wenn es einen Regierungswechsel gibt, die Pläne von Vorgängern nur ungern weiterverfolgt werden, selbst wenn sie gut waren. Das ist in der Politik nicht sehr schick. Man hat versucht, eine Mischform aus Weißbuch und eigenen Ideen zu kreieren. Aber das Papier bleibt weiter aktuell.

STANDARD: Blümel wollte bei den Bundesmuseen eine Shared-Service-GmbH mit eigenem Generalsekretär gründen, die administrative Synergien heben sollte. Das ist auf halbem Weg steckengeblieben. Inhaltlich reguliert man damit auch nichts.

Muchitsch: Shared Services sind sicher eine gute Sache. Aber natürlich geht es da nur um wirtschaftliche Effizienz und nicht um Inhalte, das stimmt. Der neue Generalsekretär ist mehr Sekretär als General.

STANDARD: Braucht es mehr General?

Muchitsch: Das ist eben eine kulturpolitische Entscheidung. Und jeder Kulturpolitiker handhabt das anders. Es gibt die, die sich sehr stark einbringen wollen, und es gibt die, die sich sehr heraushalten.

STANDARD: Welche sind Ihnen lieber?

Muchitsch: Als Chef eines Museums schon jene, die einem viel Spielraum lassen. Bei allem Verbesserungspotenzial, das es bei der inhaltlichen Abstimmung der Museen untereinander gibt, muss Autonomie schon gewährleistet bleiben.

STANDARD: Das Belvedere schafft eine Dependance in Salzburg, die Albertina hat Interesse an Linz bekundet. Wie sehen Sie diese Strategie der Bundesländer-Ableger?

Muchitsch: Es war immer Position des Museumsbunds, dass die Bundessammlungen stärker in den Ländern präsent sein sollen. Dass das jetzt automatisch heißen muss, dass eine Bundesinstitution gleich einen eigenen Standort im Land etabliert, will ich infrage stellen. Denn man sollte zuerst schauen, welche bereits etablierten Regionalmuseen man hat und wie man diesen einen besseren Zugang zu den Bundessammlungen gewährleisten kann.

STANDARD: Sie wären vorsichtig, überall Ableger zu errichten?

Muchitsch: Ja, ich würde eher auf Kooperationen setzen, auf ein Entfallen von Leih- und Versicherungsgebühren.

STANDARD: Die Albertina expandiert sehr stark über private Dauerleihgaben. Wie sehen Sie dieses Modell?

Muchitsch: Natürlich gibt es das Problem, dass die Ankaufsbudgets der Museen auf Bundes- wie Landesebene nur noch sehr klein sind. Daher ist es Aufgabe der Museumsleitung, zu schauen, wie man die Sammlung auf anderen Wegen erweitern kann. Das sind im Idealfall Schenkungen, aber eben auch Dauerleihgaben, die wiederum die Vorstufe zu einer späteren Schenkung sein können.

STANDARD: Sind nicht Dauerleihgaben an Museen, die in der Erhaltung viel Steuergeld kosten, letztlich aber Privatbesitz aufwerten, mitunter unredlich?

Muchitsch: Unredlich ist das nicht, aber natürlich bestimmen Museen mit, welcher Wert Kunstwerken zugeschrieben wird. Bei Dauerleihgaben ist entscheidend, wie stark ich damit arbeite. Wenn die meisten der Werke in Depots lagern, stellt sich schon eine moralische Frage: Andere Privatsammler müssen sich teure Depots und Restauratoren leisten, während ein Leihgeber das umsonst bekommt.

STANDARD: Bei der Dauerleihgabe Essl an die Albertina konnte Blümel erreichen, dass es zu einer Teilschenkung kam. Ist ihm da etwas gelungen?

Muchitsch: Ja, sicherlich. Auch wir im Joanneum haben aktuell 30 alte Meister als Dauerleihgabe auf 30 Jahre bekommen und in der Alten Galerie ausgestellt, wo wir natürlich hoffen, dass daraus noch eine Schenkung werden wird.

STANDARD: Unter Blümel kam eine Bundesmuseen-Card um 59 Euro, die zu je einem Eintritt in alle acht Bundesmuseen berechtigt. Das ist eine Streifenkarte für Touristen. Wäre es nicht besser, eine gemeinsame Jahreskarte für alle Bundesmuseen zu schaffen?

Muchitsch: Der Vorschlag des Museumsbundes wäre, überhaupt eine österreichweite Museumscard einzuführen. Es gibt da einige internationale Beispiele, Finnland u. a., wo das gut funktioniert. Man kann dort mit einer Karte hunderte Museen besuchen, was sich sehr bewährt hat. So eine Karte kostet 60 bis 70 Euro pro Jahr, der Erlös daraus wird nach Verkaufsort und Frequenz fair verteilt.

STANDARD: Geht sich das finanziell aus?

Muchitsch: Aus Finnland, das in Größe und Museumslandschaft durchaus mit Österreich vergleichbar ist, haben wir nur positive Erfahrungswerte. Eineinhalb Millionen Karten werden dort verkauft. Ich glaube nicht, dass eine solche Karte in Österreich Museen vor Existenzprobleme stellen würde.

STANDARD: Die Beschäftigten der Bundesmuseen fordern seit Jahren einen Kollektivvertrag. Werden Sie sich dafür einsetzen?

Muchitsch: Wenn man einen Kollektivvertrag anstrebt, was ich befürworte, wäre es doch sinnvoll, diesen gleich für alle Museen der öffentlichen Hand zu verhandeln.

STANDARD: International ist derzeit der Umgang mit Objekten aus Kolonialzusammenhängen Thema. Wie ist Ihre Position dazu?

Muchitsch: Frankreich und Deutschland haben mittlerweile sehr gute Leitfäden, wie man mit Objekten aus kolonialem Kontext umgehen sollte. Diese können sehr gut auch für Österreich herangezogen werden. Es ist nicht nur Thema in Völkerkundemuseen, sondern kann alle Museen betreffen.

STANDARD: Die Museen sagen, sie hätten zu wenig Mittel für Provenienzforschung. Muss die nächste Regierung Abhilfe schaffen?

Muchitsch: Ja, man sollte ein besonderes Augenmerk darauf haben. Das Thema von Objekten aus Unrechtskontexten wird uns die nächsten Jahrzehnte sicher begleiten.

STANDARD: Sehr lange begleitet uns schon das Projekt Haus der Geschichte (HdGÖ). Es wurde in der Neuen Burg eröffnet, kämpft aber mit seinem geringen Budget. Bei der ÖVP ist das Haus ungeliebt, weil es ihr als SPÖ-punziertes Projekt gilt.

Muchitsch: Den Eindruck habe ich auch. Ich fürchte mich vor einer österreichischen Lösung eines permanenten und prekären Provisoriums. Dabei ist es eine europaweit herzeigbare Institution, die man jetzt auch entsprechend finanziell dotieren muss.

STANDARD: Es gab einen Vorstoß von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), das HdGÖ ans Parlament anbinden zu wollen. Was halten Sie davon?

Muchitsch: Man kann schon darüber reden, welche strukturelle Anbindung es haben soll. Entscheidend ist aber, dass die Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

STANDARD: Ein Problem ist auch das Volkskundemuseum. Das Palais Schönborn, in dem es untergebracht ist, verfällt. Es gab die Idee, es mit dem Institut für Europäische Ethnologie zu verknüpfen. Woran scheitert das?

Muchitsch: Die Idee "Campus Alltagskultur" ist wunderbar, es gibt ja bereits eine Kooperation zwischen Museum und Institut, man liegt in räumlicher Nähe, es wäre eine Win-win-Situation. Das Problem ist aber die derzeitige Struktur des Museums: Der Träger ist ein Verein, die Liegenschaft, das Gartenpalais Schönborn, gehört der Stadt, das Personal wird vom Bund finanziert. Es braucht also zuallererst ein politisches Bekenntnis auf mehreren Ebenen. Denn es ist doch absurd, dass man jetzt ein wunderbares Weltmuseum hat, das sich mit außereuropäischen Kulturen beschäftigt, aber das Volkskundemuseum, das sich um Europa kümmern sollte, vernachlässigt. Das Museum macht inhaltlich eine hervorragende Arbeit, allerdings unter Bedingungen, die traurig und unwürdig sind. (Stefan Weiss, 6.8.2019)