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Für die Partei gehen manche Freiheitliche durchs Feuer, das war schon bei der Vorgängerpartei VdU so. Hier eine Aufnahme aus Salzburg Anfang der 1950er-Jahre.

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Die Präsentation eines Teils des Historikerberichts der Freiheitlichen.

Foto: Sulzbacher

Fertig ist bisher nur ein Rohbericht, den die FPÖ noch zurückhält. Und so legten die Freiheitlichen nach etlichen Ankündigungen und Verschiebungen also am Montagnachmittag eine magere 32-seitige Zusammenfassung des Berichts ihrer Historikerkommission vor, der die "braunen Flecken" der von früheren Nationalsozialisten mitbegründeten Partei ausleuchten soll. Die Parteispitze war bei der Präsentation in Wien nicht zugegen, dafür kam Generalsekretär Christian Hafenecker. Es handle sich um einen "Bericht der Historikerkommission und nicht der Parteispitze", hieß es dazu auf Nachfrage.

"Nachschlagewerk"

Ein Blick in die an Journalisten verteilte Zusammenfassung zeigt: Der Bericht bietet wenig Neues. Vieles wurde bereits vor Jahrzehnten in wissenschaftlichen Werken des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands publiziert.

Wilhelm Brauneder, emeritierter Universitätsprofessor, Ex-FPÖ-Abgeordneter und Leiter der Kommission, bezeichnete den Bericht als ein "Nachschlagewerk", an dem insgesamt 16 Personen mitgearbeitet haben: Der ÖVP-nahe Historiker Stefan Karner von der Uni Graz und Kurt Scholz, ehemals SPÖ-Stadtschulrat in Wien und Vorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich, sind ebenso unter den Autoren wie die Historiker Lothar Höbelt, Michael Wladika, Johannes Kalwoda, Anton Karl Mally, Erwin A. Schmidl, Hubert Speckner, Mario Strigl, der Historiker und Lektor an der Webster Vienna Private University, Thomas R. Grischany, der Publizist Andreas Mölzer, FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth, der langjährige "FAZ"-Korrespondent Reinhard Olt, der Theologe Gerhard Hartmann sowie Brauneder und Hafenecker.

Burschenschafterpräsenz nicht repräsentativ

Der ehemalige Dritte Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder sagte am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal", dass es mit der ersten Präsentation des Teilberichts unter anderem so lange gedauert habe, weil der FPÖ-Bericht 15- bis 17-mal so umfangreich sei wie die Aufarbeitungen anderer Parteien. Darüber hinaus fände er es fatal für das Ansehen Österreichs, wenn eine Partei als neonazistisch dargestellt würde. Positives müsse ebenso wie "Negativ-Empfundenes" herausgestellt werden.

Brauneder gab zu, dass die Präsenz von Burschenschaftern innerhalb der FPÖ sehr hoch sei und mitunter nicht repräsentativ für die Bevölkerung. Per se sei dies aber nicht schlecht. Die Kontakte zu den Identitären kommen deshalb nicht prominent im Bericht vor, weil diese zu zeitnah seien, um etwas Historisches darüber zu sagen.

Thomas Grischany, Andreas Mölzer, Christian Hafenecker, Wilhelm Brauneder, und Michael Wladika (von links nach rechts) bei der Präsentation des vorläufigen Berichtes der FPÖ-Historikerkommission.
Foto: STANDARD/Fischer

Der Bericht dürfte die erste offizielle FPÖ-Publikation sein, in der zu lesen ist, dass sich in ihren Reihen "mehr als bei den anderen Parteien ehemalige Nationalsozialisten in Führungspositionen fanden". Einer davon war Anton Reinthaller, der erste Parteichef der Freiheitlichen, der direkt aus dem Zentrum des NS-Systems kam. Der Oberösterreicher war bereits vor dem sogenannten Anschluss bekennender Nationalsozialist, trat 1938 der SS bei und wurde Reichstagsabgeordneter und Unterstaatssekretär des Großdeutschen Reiches. Nach dem Krieg wurde Reinthaller wegen seiner Verstrickung in das NS-Regime zu drei Jahren Kerker verurteilt.

Anton Reinthaller, erster Parteichef der FPÖ, hier 1938 als Landesbauernführer Donauland und SS-Oberführer.
Foto: ÖNB

Brauneder bezeichnete den Umstand, dass Reinthaller einen Ehrenrang bei der SS hatte, als "unrelevant". Bei dieser Bewertung war man sich aber nicht einig, Hafenecker sah auf Nachfrage die SS-Mitgliedschaft doch als relevant an.

Weiters heißt es im Resümee des Berichts: "Die Geschichte des Dritten Lagers nach 1945 weist eindeutig Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus auf. [...] Aber weder VdU noch FPÖ waren formell Nachfolgeorganisationen der NSDAP. Und sie strebten auch nicht – wie die Auswertung des inhaltlich-materiellen Bereichs zeigt – politisch die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes an." Mit dieser Feststellung ist die FPÖ auf Linie des Staatsvertrags und NS-Verbotsgesetzes.

Fertiger Bericht folgt

Der fertige Gesamtbericht soll zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden, um dem "hohen wissenschaftlichen Anspruch" zu genügen, wie Parteiideologe Andreas Mölzer feststellte.

Die Verzögerung wird auch damit begründet, dass der Bericht von einem unabhängigen Wissenschafter aus Israel überprüft werden soll. Hierbei soll der Fokus auf die Themen Restitution, das Verhältnis zum Staat Israel und Antisemitismus liegen. Dafür wollen einige Parteigranden in den kommenden Wochen selbst nach Israel fliegen, erfuhr DER STANDARD. Der Name des Wissenschafters wurde am Montag nicht genannt, auch nicht auf Nachfrage.

Eingesetzt wurde die FPÖ-Historikerkommission im Frühjahr 2018 infolge der "Liederbuchaffäre" in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt. Im besagten Liederbuch findet sich etwa die Textzeile: "Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million." Mitglied der Burschenschaft war damals auch der kurzzeitig zurückgetretene und mittlerweile in die Politik zurückgekehrte niederösterreichische Landesparteichef Udo Landbauer. Mit dem Liedgut der Burschenschaften beschäftigte sich die Kommission ebenfalls – wobei Hafenecker sagte, dass Lieder wie "Wenn alle untreu werden" schon vor dem Nationalsozialismus getextet und von den Nazis oder SS missbraucht worden seien. Dazu kamen zahlreiche sogenannte "Einzelfälle", also rechtsextreme Umtriebe von Funktionären.

"Unprofessionelle Vorgangsweise"

Schon im Vorfeld der Präsentation am Montag kritisierte Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Uni Wien und Leiter des wissenschaftlichen Beirats des Hauses der Geschichte, den Bericht als "unprofessionell". Dieser widerspreche wissenschaftlichen Standards wie Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Rathkolb bemängelte etwa die Nichteinbeziehung wissenschaftlicher Fakultäten. Auch dass sich die FPÖ ein Gütesiegel eines israelischen Historikers holen wolle, versteht Rathkolb nicht.

Hafenecker und Brauneder wehrten sich gegen die Kritik. Es sei nicht wissenschaftlich, den Bericht vor seiner Veröffentlichung zu kritisieren.

Seit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und dem Rückzug von Heinz-Christian Strache im Mai sorgt die Partei weiterhin für Schlagzeilen, die künftige Historikerkommissionen beschäftigen könnten. Anfang Juni schickte die FPÖ mit Martin Graf einen deklarierten Rechtsaußen in den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Ein Affront für die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), die daraufhin ihr Mandat ruhend stellte. In einem Schreiben an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) teilte IKG-Präsident Oskar Deutsch mit, dass die Kultusgemeinde die Entsendung Grafs "nicht tatenlos hinnehmen" werde. Denn Grafs Burschenschaft Olympia sei für "ihren Geschichtsrevisionismus" bekannt und "ein Hotspot rechtsextremistischer Umtriebe". Und Graf selbst sei für "extremistische Haltungen" bekannt.

Martin Graf ist auch ein Grund dafür, warum der jüdische Wiener Abgeordnete David Lasar aus dem Parlamentsklub austrat. Es komme für ihn nicht infrage, hinter dem "rechtsextremen Martin Graf" zu kandidieren, der auf Platz sechs der Landesliste steht. (Markus Sulzbacher, 5.8.2019)