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Bischof Yusuf Cetin und Tayyip Erdogan.

Foto: Reuters / Sezer

Eine christliche Kirche ist so ziemlich das Letzte, was einem einfällt, wenn man den Namen des türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan hört. Insofern ist es mehr als eine Meldung wert, dass dieser am Wochenende in Istanbul den Grundstein für den Bau eines syrisch-orthodoxen Gotteshauses gelegt hat. Es ist dies nämlich der erste Kirchenneubau seit Gründung der Republik 1923.

Der Istanbuler syrisch-orthodoxe Bischof Yusuf Cetin sprach deswegen auch von einem historischen Tag. Der Bau steht im Stadtteil Bakirkoy im europäischen Teil der Stadt. Es ist die zweite derartige Kirche. Eine ältere syrisch-orthodoxe Kirche steht bereits im Stadtteil Beyoglu. Weil sich aber in Bakirkoy besonders viele syrische Flüchtlinge niedergelassen haben, bot sich dieser Standort an.

Grund gegen eine "Spende"

Denn dass ausgerechnet diese Glaubensrichtung dringend Bedarf an einer neuen Kirche hat, liegt an den Flüchtlingen. Rund 3,6 Millionen Syrer halten sich derzeit in der Türkei auf, mehr als 500.000 von ihnen in Istanbul. Auch wenn die Mehrheit von ihnen sunnitischen Glaubens ist, sind auch rund 17.000 syrisch-orthodoxe Christen unter ihnen.

Der Grundsteinlegung ist ein langer Prozess vorausgegangen. Für Probleme sorgte die Tatsache, dass sich ein Teil des Geländes auf einem ehemaligen katholischen Friedhof befindet, weswegen Vertreter der katholischen Kirche auf Herausgabe klagten. Die Aramäer, die zum Teil der syrisch-orthodoxen Kirche angehören, baten daraufhin Bartholomäus I., Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche und Oberhaupt aller Ostkirchen, um Vermittlung. Der wandte sich an seinen Kollegen in Rom, den Papst. Angeblich willigten die Katholiken ein, als ihnen die Aramäer eine Spende versprachen.

Klagen über Diskriminierung

Angesichts all dieser Glaubensrichtungen und ihrer Zänkereien untereinander mag man nun vielleicht an einen Monty-Python-Film denken. Aber Religionsfreiheit ist nun einmal eine ernste Sache. Einerseits ist die Republik seit ihrer Gründung 1923 durch (den Atheisten) Kemal Atatürk ein säkularer Staat, in dem jeder Bürger das Recht hat, seine Religion frei auszuüben. Andererseits haben nur wenige Religionen einen echten Minderheitenstatus, darunter Juden, orthodoxe und armenische Christen; und auch die klagen immer wieder über Probleme in Form von Diskriminierung.

1971 wurde zum Beispiel die wichtigste Ausbildungsstätte für griechisch-orthodoxe Priester auf der Insel Heybeliada von einer säkularen Regierung geschlossen, was die Gemeinde vor Nachwuchsprobleme stellt. Bis heute wurde sie nicht wiedereröffnet.

Und um die Verwirrung noch etwas zu steigern: Es war ausgerechnet die AKP-Regierung unter Präsident Erdogan, die die Minderheitenrechte der Religionsgemeinschaften stärkte. So wurden jüdischen und christlichen Gemeinden in den vergangenen Jahren Immobilien im Wert von zwei Milliarden Euro zurück gegeben, die unter den säkularen Vor gängerregierungen beschlagnahmt worden waren. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 5.8.2019)