Indiens Ministerpräsident Narendra Modi spielt mit Kaschmir ein gefährliches Spiel. Überraschend kommt dies aber nicht. Indem er die Unruheregion ihrer seit der Gründung des modernen Indien 1947 garantierten Autonomie beraubt, erfüllt er seinen hindu-nationalistischen Kernwählern einen lang gehegten Wunsch. Diesen sind die Sonderrechte der knapp elf Millionen Kaschmirer seit jeher ein Dorn im Auge. Nur wer dort nämlich von den regionalen Behörden als "Permanent Resident" registriert wurde, darf etwa Grund besitzen – was für die mehrheitlich muslimischen Einheimischen ein Mittel ist, den eigenständigen Charakter ihrer Region am Fuße des Himalaja zu wahren, macht die übrigen, meist hinduistischen Inder vor dem Gesetz zu Fremden im eigenen Land.

Pakistanische Aktivisten verbrennen in Lahore ein Bild des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi.
Foto: APA/AFP/ARIF ALI

In Pakistan, das mit Indien schon zwei Kriege wegen Kaschmir ausgefochten hat und sich als Schutzmacht der indischen Muslime versteht, hört man die Signale. Man halte sich "alle Optionen offen", ließ Islamabad verlauten. Erst im Frühling schrammten die beiden Atommächte knapp an einem Waffengang vorbei. Bei der Parlamentswahl, die wenige Wochen später folgte, wussten Modis Hindu-Nationalisten die aufgeheizte Stimmung für sich zu nutzen – und siegten noch klarer als gedacht. Nun gießt der starke Mann der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt neues Öl ins Feuer. So wie bei allen Nationalisten ist Eskalation schließlich auch in Modis Ärmel das Ass. (Florian Niederndorfer, 5.8.2019)