Luftaufnahmen der Phlegräischen Felder zeigen die Krater vergangener Eruptionen des Supervulkans bei Neapel.
Foto: Mauro Antonio Di Vito

Der Gedanke an Vulkanausbrüche erzeugt bei vielen Menschen ein bestimmtes Bild im Kopf: Lava und Asche schießen gewaltsam aus der Spitze eines Vulkans empor. Allerdings ist das keineswegs die einzige Art, wie sich die Magmakammern entleeren können. Häufig "speit" ein Vulkan aus der Flanke und erzeugt gleich mehrere Schlote.

Abzuschätzen, welchen Weg sich die Gesteinsschmelzen bahnen und und wo sie die Oberfläche durchbrechen werden, ist eine der zentralen Herausforderungen in der Vulkanologie. Denn je besser die Vorhersagen, desto eher lässt sich die Gefahr für nahe gelegene besiedelte Regionen verringern. Deutsche und italienische Forscher um Eleonora Rivalta vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam haben nun eine neue Methode entwickelt, die solche Prognosen verbessern könnte.

"Bisherige Ansätze basierten auf Statistiken über die Orte vorhergegangener Eruptionen", erklärt Rivalta. "Unsere Methode verbindet Statistik mit Physik: Wir berechnen die Wege des geringsten Widerstands für aufsteigendes Magma und stimmen dann das Modell auf der Grundlage von Statistiken ab."

Vulkan ohne Gipfel

Für ihre Studie im Fachblatt "Science Advances" testeten die Vulkanologen diesen Ansatz mit Daten aus den Phlegräischen Feldern bei Neapel, einem Supervulkan mit hohem Ausbruchsrisiko. Mehr als 1,5 Millionen Menschen leben auf oder in unmittelbarer Nähe dieses Vulkans, der in den vergangenen 60.000 Jahren zwei massive und mehrere kleinere Eruptionen durchmachte.

Bei der bisher letzten Eruption der Campi Flegrei im Jahr 1538 entstand ein neuer Berg, der Monte Nuovo.
Foto: Mauro Antonio Di Vito

Auf dem gesamten Gebiet der Phlegräischen Felder gibt es an die 80 Eruptionsherde – diese Schlote waren oft nur ein einziges Mal an einem Ausbruch beteiligt. Bei Calderen – oft riesigen kesselartigen Strukturen, die sich kurz nach der Entleerung einer Magmakammer bei einem Vulkanausbruch bilden – können sich auch Schlote innerhalb oder am Rand öffnen. Das liegt daran, dass es diesen Vulkanen an einem Gipfel als Zentrum einer neuen Eruption fehlt. "Calderen sehen oft aus wie ein mit Maulwurfshügeln bedeckter Rasen", sagt Rivalta. Auf den italienischen Supervulkan trifft die Beschreibung zu.

Dünne Datenlage

Die oft weit verstreuten, scheinbar zufälligen Schlotverteilungen stellen eine Herausforderung für die Erstellung von Prognosekarten dar, die Forscher nutzen, um Lava- und pyroklastische Ströme oder die Ausdehnung von Aschefahnen abschätzen zu können. Diese Karten basierten hauptsächlich auf der räumlichen Verteilung älterer Schlote, erläutert Rivalta: "In der Vulkanforschung geht man oft davon aus, dass sich der Vulkan künftig weiter so verhalten wird wie in der Vergangenheit. Das Problem ist, dass oft nur wenige Dutzend Schlote auf der Vulkanoberfläche sichtbar sind, da große Ausbrüche dazu führen können, dass vergangene Eruptionsmuster überdeckt oder verwischt werden."

In der Region der Phlegräischen Felder leben 1,5 Millionen Menschen.
Foto: Mauro Antonio Di Vito

So mathematisch anspruchsvoll ein Verfahren auch sein möge, führe eine dünne Datenlage trotzdem zu groben Karten mit großen Unsicherheiten. Außerdem könne sich die Dynamik eines Vulkans mit der Zeit ändern, sodass die Schlote anders wandern als erwartet, so die Forscherin.

Methodische Kombination

Gemeinsam mit Statistikern und Geologen hat Rivalta daher die Physik der Vulkane genutzt, um Vorhersagen zu verbessern: Sie kombinierten physikalische Modelle zur unterirdischen Ausbreitung von Magma mit statistischen Verfahren und geologischen Daten über Struktur und Geschichte des Vulkans. Daraus entwickelten sie ein Arbeitsmodell, dass sich auf unterschiedliche Vulkane anwenden lässt.

Den ersten Probelauf unternahmen die Wissenschafter an Italiens Supervulkan: Mit der neuen Methode ließ sich die Position von historischen Schloten, die nicht in das Modell eingeflossen waren, richtig bestimmen. Rivalta: "Wir werden jetzt weitere Tests durchführen. Wenn unsere Methode auch bei anderen Vulkanen gut funktioniert, kann sie helfen, die Landnutzung in vulkanischen Gebieten besser zu planen und den Ort zukünftiger Eruptionen mit einer höheren Sicherheit als bisher vorherzusagen." (red, 6.8.2019)