Seenotretter im Mittelmeer, etwa jene auf der spanischen "Open Arms", die mehr als 120 Menschen vor Libyen retteten, drohen künftig Strafen in Höhe bis zu einer Million Euro.

Foto: APA/AFP/Jorge Guerrero

Rom – Seenotretter im Mittelmeer können in Italien künftig noch härter bestraft werden, wenn sie mit ihren Schiffen unerlaubt in die Hoheitsgewässer des Landes fahren. Ein Sicherheitsgesetz, das der italienische Senat am Montag gebilligt hat, sieht Strafen in Höhe bis zu einer Million Euro vor und ermöglicht den Behörden auch, Schiffe zu konfiszieren.

Die Regierung hatte für die schnellere Verabschiedung des Gesetzes die Vertrauensfrage gestellt. Durch diesen Schritt wurden keine weiteren Änderungen an dem bereits von der Abgeordnetenkammer abgenickten Entwurf vorgenommen. Der rechte Innenminister Matteo Salvini kommentierte auf Twitter, das Gesetz sehe "mehr Befugnisse für die Sicherheitskräfte, mehr Kontrollen an den Grenzen, mehr Männer, um Mafiosi und Camorristi (Angehörige der Camorra-Mafia) festzunehmen", vor.

Bereits zuvor zehntausende Euro Strafe möglich

Grundlage für das Gesetz bildet eine im Juni verabschiedete Notverordnung, die am 13. August ihre Gültigkeit verliert und deshalb in ein Gesetz umgewandelt werden musste. Das sogenannte Sicherheitsdekret, das auf Salvini zurückgeht, sah bereits Strafen von zwischen 10.000 und 50.000 Euro vor, wenn der Kapitän eines Rettungsschiffs die Seegrenze unerlaubt passiert.

Die neuen Maßnahmen sind höchst umstritten. Nicht nur Hilfsorganisationen selbst haben Kritik an dem zuvor erlassenen Dekret geübt, sondern auch die Vereinten Nationen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) befürchtet, dass noch höhere Geldstrafen und weitere Sanktionen die Seenotrettung privater Helfer künftig be- oder sogar ganz verhindern könnten.

"Die NGOs spielen eine entscheidende Rolle bei der Lebensrettung von Flüchtlingen und Migranten, die die gefährliche Überfahrt antreten, um Europa zu erreichen", erklärte das UNHCR. "Ihr Engagement und die Menschlichkeit, die ihr Handeln lenkt, sollten nicht kriminalisiert oder stigmatisiert werden."

Prüfung durch die EU-Kommission

Die EU-Kommission will prüfen, ob das Gesetz mit EU-Recht im Einklang steht, wie ein Sprecher am Dienstag in Brüssel ankündigte. Falls die EU-Kommission bei ihrer Prüfung zu dem Schluss kommen sollte, dass das Gesetz gegen EU-Recht verstößt, könnte sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einleiten. In dessen Verlauf könnte auch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof folgen.

Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch hält das neue Gesetz für verfassungswidrig. Ihr Schiff "Sea-Watch 3" liegt derzeit in Sizilien an der Kette, nachdem die Kapitänin des letzten Einsatzes, Carola Rackete, es unerlaubt nach Italien gesteuert hatte. In Racketes Fall griff das Sicherheitsdekret: Gegen sie wurde eine Geldstrafe in Höhe von mehr als 16.600 Euro verhängt. Nach Angaben ihres Anwalts wurde dagegen Beschwerde eingelegt.

"Das neueste Gesetz ist ein weiterer Schritt in der Kampagne zur Kriminalisierung jeglicher Form von Seenotrettung", erklärte eine Sprecherin von SOS Mediterranee. "Diese Kriminalisierung und Blockade der Seenotrettung erhöht nur die Risiken für traumatisierte Menschen, die aus Libyen fliehen. Es ist wie die Bestrafung von Betreibern eines Krankenwagens, die nach einem Unfall Menschen in das nächstgelegene Krankenhaus bringen", erklärte die Sprecherin. SOS Mediterranee betreibt mit der Organisation Ärzte ohne Grenzen das Schiff "Ocean Viking", das erstmals unterwegs in die Rettungszone vor Libyen ist. (APA, red, 5.8.2019)