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Was tut man nicht alles, um an Essen zu kommen ...
Foto: AP/Jim Schulz/Chicago Zoological Society

Leipzig – Auf den ersten Blick klingt es nicht verwunderlich, dass Gorillas – ohne Werkzeuge zu benutzen – Nüsse knacken können. Immerhin sind die größten Menschenaffen der Welt nicht gerade schwächliche Erscheinungen. Ein näherer Blick zeigt jedoch, dass ihre Zähne keineswegs darauf ausgelegt sind, harte Schalen zu knacken. Wenn sie es also, wie nun beobachtet, trotzdem tun, setzen die Gorillas ihr Gebiss einer extremen Beanspruchung aus, berichtet das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

Die Backenzähne von Gorillas sind im Vergleich zu denen anderer Menschenaffenarten größer und besitzen höhere Höcker mit schärferen Scherkanten. Das wird als Anpassung an das langanhaltende Kauen faserigen Pflanzenmaterials, die Hauptnahrung der fast ausschließlich vegetarisch lebenden Tiere, gewertet. Andererseits sind ihre Zähne nicht gut für den Verzehr von harter und spröder Nahrung wie etwa Nüssen geeignet. Die hohen Scherkanten der Backenzähne können dadurch beschädigt werden.

Gesehen und gehört

"Ich war erstaunt, als wir die Gorillas zum ersten Mal dabei beobachteten, wie sie Nüsse fraßen", sagt Martha Robbins, Seniorautorin der Studie, die im "American Journal of Physical Anthropology" erschienen ist. "Wir können es nicht nur sehen, sondern auch hören, wenn die Nussschale unter der unglaublichen Stärke des Bisses nachgibt. Gorillas haben offensichtlich große, kräftige Kiefer; trotzdem hatten wir dieses Verhalten eigentlich nicht erwartet, weil ihre Zähne dafür nicht gut geeignet sind."

Für die drei Monate im Jahr, in denen die auch als "Afrikanische Walnüsse" bezeichneten Nüsse von Coula edulis verfügbar sind, konzentriert sich die Ernährung der Westlichen Flachlandgorillas im Loango-Nationalpark in Gabun auf diese energiereiche Nahrungsquelle. Sie verbringen bis zu drei Stunden täglich damit, sich zu dem weichen Kern durchzubeißen. Und das erfordert ordentlich Aufwand: Um die Nüsse zu knacken, muss ein Gewicht von etwa 270 Kilogramm auf sie einwirken, was einer Kraft von 2.648 Newton entspricht.

Kulturelle Unterschiede

Andere Tiere sind dafür besser gerüstet und haben starke, abgerundete Backenzähne, die wie Mörser und Stößel wirken und spröde Nahrung sehr effizient aufknacken. Gorillazähne hingegen sind wie die Zähne anderer Blattfresser mit hohen Zahnhöckern mit zusätzlichen Kanten zum Zerschneiden von zäher Nahrung ausgestattet. Unter der gewaltigen Beißkraft, die zum Knacken von Nüssen erforderlich ist, können solche scharfkantigen Zähne leicht brechen, zudem nutzen sie sich schneller ab. Und sie sind anscheinend auch nicht in der Lage dazu, ihre Zähne so zu schützen, wie es Schimpansen tun – die benutzen zum Nüsseknacken nämlich Werkzeuge.

Da andere Gorillapopulationen keine Nüsse knacken, obwohl diese in ihrem Lebensraum ebenfalls vorkommen, könnte es sich dabei um ein kulturelles Verhalten handeln, das Gorillas bei anderen Gruppenmitgliedern beobachten und von ihnen erlernen. "Dass wir das Nüsseessen in Loango beobachten, aber nicht in anderen Wäldern Zentralafrikas, in denen auch Nüsse vorkommen, verdeutlicht noch einmal mehr, wie wichtig die Erforschung und der Schutz von Gorillas in ihrem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet ist", sagt Robbins (red, 6. 8. 2019).