"Fett, Muskeln, Haare – alles weg", sagt Christian Wallner. Sein Zeigefinger deutet auf einen Blecheimer: Kleine Knochen stecken in der Asche. Das graue Gemisch hat den gleichen Farbton wie sein hüftlanger Arbeitskittel. Er schüttet den Inhalt in ein schwarzes Transportsackerl, verschweißt dieses und legt es in eine Papiertasche mit der Aufschrift "Wiener Tierkrematorium". Diese Prozedur gehört seit 27 Jahren zum Berufsalltag des Mitarbeiters.

Das Gebäude des Wiener Tierkrematoriums im 11. Bezirk.
Foto: Eva Kelety Wiener Tierkrematorium

Ein weißhaariger Mann mit Schnauzer wartet schon auf das Säckchen. Die Asche darin sind die Überreste von Simba, seinem Hund. Wallner geht durch die Glastür, die den Arbeitsbereich vom Kundenflur trennt. Der weißhaarige Kunde nimmt die Papiertasche entgegen, schlendert zum Ausgang und trällert "Wiederschaun". Er sieht erleichtert aus.

Mit roten Augen steht ein Paar vor dem Eingang. Auf dem Arm eine schwarze Retriever-Hündin. Wallner eilt. Um sie zu wiegen, legt er das Tier seitlich in einen Pappsarg. Das Gewicht bestimmt den Preis: je schwerer, desto mehr Gas braucht der Verbrennungsofen. Der Bestatter huscht ins Empfangsbüro und nuschelt: "18,3 Kilogramm." Kollege Phillip Kandler notiert. Der 28-Jährige arbeitet seit zwei Jahren im Krematorium.

Die Besitzer verabschieden sich vom Tier im Eingangsbereich. "Die Herrschaften dürfen so lange Abschied nehmen, wie sie wollen. Sie dürfen schmusen und küssen", sagt Kandler. Jemand schnäuzt sich die Nase. Wallner kehrt zurück und führt die Kunden zum Empfang. "Der junge Mann macht alles Weitere", sagt er mit Blick auf Kandler und zieht den Sarg auf einem Servierwagen zum Arbeitsbereich. Es ist der zweite Abschied, den die beiden heute begleiten.

Eine Auswahl an Urnen für die eingeäscherten Tiere.
Foto: Wiener Tierkrematorium

Sackerl oder Urne?

Die Hundebesitzer nehmen Platz. Der Mann wirkt gefasst, die Frau geknickt – als hätte der Tod sie überrascht. Kandler klärt die letzten Schritte. Er fragt nach Namen, Adresse und Produktwunsch. Die Hündin heißt Alexa. Wieder fällt die Wahl auf das Transportsackerl. Keine Urne. Gut 350 Euro kostet die Kremierung; die Kundin zahlt mit Karte. "Dankeschön! Dankeschön!", sagt sie. Wie schon der weißhaarige Mann mit Schnauzer wirkt sie erleichtert. "Die meisten sind einfach dankbar, dass es uns gibt", sagt Kandler.

Sein Job verlangt Feingefühl. Eine Ausbildung zum Tierbestatter braucht man in Österreich nicht. "Es ist einfach nur wichtig, ruhig zu bleiben und dem Kunden zu zeigen, dass man seine Situation versteht."

Die Besitzer warten am anderen Ende des Flurs in einem Raum mit verglastem Guckloch. Dahinter liegt die Hündin, ein Foto auf dem Bauch. Das letzte Mal sehen sie Alexas Körper mit dem glänzenden schwarzen Fell. Neben ihr der Metallofen, der auf 900 Grad heizt. Wallner schließt den Sarg und schiebt ihn in den Ofen. Nach zweieinhalb Stunden holen die Kunden das Transportsackerl ab. Zwischenzeitlich hat Wallner noch ein Tier eingeäschert und die Überreste in ein schwarzes Säckchen gepackt. Alles Routine.

Abschiednehmen gehört zum Alltag der Tierbestatter.
Foto: Wiener Tierkrematorium

Tägliches Abschiednehmen

Kurz vor Feierabend: Die Türglocke surrt. Vor der Glastür am Eingang steht eine zierliche Frau mit einer sperrigen türkisen Transportbox. Darin: ein schwarzes Kaninchen mit schneeweißen Pfoten. Der übliche Ablauf: Wallner beginnt, Kandler übernimmt. Ein eingespieltes Team. Bis zur Kremierung in der kommenden Woche bleibt das Kaninchen im Kühlraum. Beim Abschied fragt die Kundin: "Darf ich Wuppi ein paar Gänseblümchen mitnehmen?" Sie darf. "Es muss für die Leute so schön wie möglich sein. Das ist halt meine Aufgabe", sagt Kandler. "Ich kann für die Leute im letzten Moment da sein und ihnen helfen, die Situation so angenehm wie möglich zu erleben."

Feierabend! Heute waren es dreieinhalb Abschiede: drei Transportsackerl, eine Tiefkühlung. "Ein ruhiger Tag", sagt Kandler. Er sperrt zu. "Glücklich geht man selten raus", sagt er noch. Auf einer Skala von eins bis zehn gibt Kandler seinem Job eine Zehn. "Ich tu was Gutes. Ich schaffe es, dass die Leute besser mit dem Ganzen umgehen können. Man darf es nicht nur als Beruf sehen, es muss eine Berufung sein", sagt Kandler. Er freut sich auf morgen. Dann heißt es wieder: Abschied nehmen. (Laura Kosanke, 15.8.2019)