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Für Präsident Erdoğan kommt das Säbelrasseln als willkommene Ablenkung von innenpolitischen Turbulenzen.

Foto: AP Photo/Lefteris Pitarakis

Eine Offensive der türkischen Armee in syrisches Gebiet östlich des Euphrats rückt näher. Zumindest hat dies Präsident Recep Tayyip Erdoğan wieder einmal angekündigt. Die Türkei hat seit Tagen Truppen rund um die türkische Stadt Şanlıurfa zusammengezogen. Am Sonntag sagte Erdoğan: "Wir sind nach Afrin gegangen, nach Jarablus und Al-Bab. Nun werden wir auch in das Gebiet östlich des Euphrats gehen." Das Vorgehen sei bereits mit Russland und den USA abgesprochen. "Wir sind geduldig, aber unsere Geduld hat Grenzen", so Erdoğan.

Zumindest mit dem Nato-Verbündeten USA aber scheint man sich längst nicht so einig zu sein, wie man es sich in Ankara wünscht. Seit Montag verhandelt eine amerikanische Delegation in Ankara über die Einrichtung einer solchen Sicherheitszone – besser gesagt, sie feilschen. Sondergesandter James Jeffrey schlug am Montag die Einrichtung einer 15 Kilometer breiten und 120 Kilometer langen Zone vor. Dies wiederum lehnte die türkische Seite ab. Ankara besteht auf einem mindestens 30 Kilometer breiten "Sicherheitsstreifen". Vor allem geht es der türkischen Seiten darum, dass sich die kurdische YPG aus diesem Korridor zurückzieht.

US-Verbündete

Während die USA die kurdischen Milizen in Syrien im Kampf gegen den IS unterstützten, gilt die YPG in Ankara als ein Ableger der Terrororganisation PKK. Washington möchte deswegen eine Militäroperation gegen die kurdischen Verbündeten unbedingt verhindern und warnt Ankara vor einem Alleingang. Die Gespräche wurden am Dienstag fortgesetzt. Zudem operiert in der Region weiterhin eine kleine Anzahl von US-Soldaten, meist Ausbilder der YPG.

Anscheinend gibt es Pläne seitens Ankaras, syrische Flüchtlinge in den Sicherheitskorridor auszusiedeln. Seit einigen Wochen hat sich die Stimmung in der Türkei gegenüber den Bürgerkriegsflüchtlingen verschlechtert. Das Innenministerium hat nicht registrierten, illegalen Syrern eine Frist bis zum 23. August gesetzt, die Metropole Istanbul zu verlassen.

Das Verhältnis zwischen den beiden Nato-Verbündeten ist schwer belastet, seit Ankara das russische Raketenabwehrsystem S-400 erworben hat. Washington hat mehrfach vergeblich versucht, Ankara von diesem Kauf abzuhalten. Als Gegenmaßnahme warf Washington die Türkei aus dem Kampfjetprogramm F-35. Die Türkei wird vorerst keine der hochmodernen Jets erhalten.

Ablenkung

Für Erdoğan könnte eine solche Offensive auch von einigen innenpolitischen Problemen ablenken. Da ist zu einem die Rezession und die damit verbundene Arbeitslosigkeit, die den Rückhalt der Regierungspartei AKP in der Bevölkerung erodiert. Aber auch innerhalb der AKP rumort es: Mehrere Granden der Partei, darunter der ehemalige Präsident Abdullah Gül, wollen sich abspalten. Und schließlich wirkt die Niederlage bei der Bürgermeisterwahl von Istanbul noch schwer.

Gleichzeitig flammten im Westen Syriens, in der Provinz Idlib, wieder Kämpfe auf. Die syrische Armee geht dort vier Tage nach Inkrafttreten einer Waffenruhe mit russischer Unterstützung gegen letzte – meist islamistische – Rebellengruppen vor, die wiederum von der Türkei unterstützt werden. Laut syrischen Medien war die Türkei der Vereinbarung nicht nachgekommen, wonach in Idlib eine entmilitarisierte Pufferzone eingerichtet werden solle. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 6.8.2019)