Wien – Ihre roten Haare wurden zu ihrem Markenzeichen, die Zigarette ihr ständiger Begleiter, ebenso wie die Kamera. Die heute 84-jährige italienische Fotografin Letizia Battaglia dokumentierte als erste Fotojournalistin Italiens für die linke Tageszeitung L'Ora die Verbrechen der Mafia und geriet dadurch auch ins Visier der Cosa Nostra.

Die britische, mehrfach ausgezeichnete Filmemacherin Kim Longinotto schafft mit Shooting the Mafia (Mittwoch, 22.45 Uhr, ARD) nicht nur eine Dokumentation über die Verbrechen und die Geschichte der Mafia, die Doku ist vor allem ein sehr präzises Porträt einer Frau, die erst spät ihre Berufung fand.

Autodidaktin Battaglia begann erst mit 40 Jahren zu fotografieren, zuvor musste sich die dreifache Mutter von gesellschaftlichen Konventionen befreien, einer unglücklichen Ehe und sich an ein selbstbestimmtes Leben mit vielen (meist jüngeren) Liebhabern gewöhnen.

"Es war eine Männergesellschaft, wir Frauen waren dazu bestimmt, von ihnen abhängig zu sein", sagt sie im Film. Ihr gelingt dieser Befreiungsschlag, die Kamera hilft dabei. "Die Kamera war die Chance meines Lebens, ich habe angefangen, ich selbst zu sein."

Foto: SWR/Lunar Pictures

Düsteres Süditalien

Ihre Schwarz-Weiß-Fotos zeigen Tote, von Schüssen zerfetzte Körper, Kinder, die mit Waffen hantieren. Eines ihrer bekanntesten Fotos ist jene Aufnahme einer Leiche, die sie 1980 neben einem Stapel Orangen fand.

Morddrohungen

Im Süden Italiens herrschte in den 1970er-Jahren eine düstere Stimmung, "Ständig spürte man die Bedrohung, manchmal gab es fünf Morde an einem Tag. Hier in Palermo herrschte Bürgerkrieg". Und sie war mittendrin, hörte den Polizeiruf ab, um schnell am Tatort zu sein. Und sie bekam Morddrohungen, anonyme Briefe.

Foto: SWR/Lunar Pictures/Letizia Battaglia

1985 entschied sie sich, sich politisch zu engagieren, und war zur Zeit der spektakulären Anti-Mafia-Prozesse durch Untersuchungsrichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino für die Grünen im Parlament tätig. Diese Zeit erlebte sie aber als extrem frustrierend. "Die Zeit als Abgeordnete war die schlimmste Zeit in meinem Leben. Ich tat nichts, bekam dafür jeden Monat einen Haufen Geld. Die Entscheidungen wurden woanders getroffen."

Foto: SWR/Lunar Pictures/Letizia Battaglia

Nach den brutalen Morden an den Untersuchungsrichtern Falcone (hier im Bild) und Borsellino im Jahr 1992 sei "die Stadt aus einem Tiefschlaf erwacht". Die Sizilianer wollten ein ehrliches Leben ohne Mafia.

"Ich finde es schön, so alt zu sein", sagt Battaglia, Angst vor dem Ende hat sie nicht. Verliebt ist sie auch – in einen 38 Jahre jüngeren Künstler. (ae, 7.8.2019)

Foto: SWR/Lunar Pictures