Öffentlicher Rundfunk genießt in Europa traditionell eine Sonderstellung im Mediensystem, doch die Finanzierung über Rundfunkgebühren durch Besitzer von Empfangseinrichtungen gerät immer stärker unter Druck. In etlichen Ländern wurde das Finanzierungssystem in den vergangenen Jahren reformiert. Finnland stellte 2013 von einer Rundfunkgebühr auf eine Rundfunksteuer um. In Deutschland gilt seit 2013 eine Haushaltsabgabe, die 2019 auch in der Schweiz eingeführt wurde. Zuvor hatte die Schweizer Bevölkerung die Abschaffung der Rundfunkgebühren nach einem vielbeachteten Referendum abgelehnt. In Dänemark erfolgt die Finanzierung seit 2018 aus dem staatlichen Budget, und auch in Österreich wird regelmäßig über ein Ende der Gebührenfinanzierung diskutiert. Ein Blick über Landesgrenzen kann nützlich sein, um dabei nicht voreilig falsche Entscheidungen zu treffen.

ORF-Finanzierung: Gebührenhöhe im vorderen Mittelfeld

Internationale Vergleiche zeigen, dass die Finanzausstattung des öffentlichen Rundfunks in Europa erheblich variiert – von 27 Millionen Euro in Lettland bis zu 9,8 Milliarden Euro in Deutschland. Österreich beziehungsweise der ORF liegen mit rund einer Milliarde Euro an Gesamteinkünften aus Gebühren und Werbung im vorderen Mittelfeld. Europaweit werden durchschnittlich 77,7 Prozent der Einkünfte aus öffentlichen Mitteln finanziert (Rundfunkgebühren, Staatshaushalt), knapp ein Viertel der Einnahmen kommt aus Werbung. Während der öffentliche Rundfunk in den skandinavischen Ländern fast ohne kommerzielle Einnahmen auskommen muss, liegt der Werbungsanteil in Österreich bei 41,8 Prozent.

Die Finanzausstattung des Rundfunks und die absolute Höhe der Rundfunkgebühren bilden wegen Größenunterschieden der Länder und Unterschieden bei Wirtschaftsleistung, Lohn- und Preisniveaus jedoch keine geeignete Grundlage für internationale Vergleiche. Welchen Beitrag die Bevölkerung für den öffentlichen Rundfunk leistet, lässt sich besser anhand der Einnahmen aus öffentlichen Mitteln pro Kopf der Bevölkerung unter Berücksichtigung der länderspezifischen Kaufkraft verdeutlichen.

Diese Einkünfte aus öffentlichen Mitteln liegen europaweit im Schnitt bei 52 Euro pro Jahr und weisen sogar kaufkraftbereinigt eine hohe Bandbreite auf: von 102 Euro pro Kopf in Deutschland bis sieben Euro in Polen. Im europäischen Vergleich werden in Deutschland, Norwegen und der Schweiz besonders hohe öffentliche Beiträge bezahlt, mit jährlich über 80 Euro pro Einwohner. Dahinter folgen Finnland, Schweden, Österreich und Großbritannien auf einem ähnlichen Niveau von rund 67 Euro. Deutlich geringer sind die öffentlichen Einnahmen pro Kopf in Irland, Spanien, Italien, Portugal, Lettland und Polen.

Leistung des öffentlichen Rundfunks: von Programmoutput bis Publikumserfolg

Die Frage, welche Leistungen des öffentlichen Rundfunks dieser Finanzierung gegenüberstehen, kann nur annäherungsweise über verschiedene Indikatoren beantwortet werden. Die Effizienz lässt sich zum Beispiel anhand der Kosten pro Sendestunde vergleichen. Ökonomische Kennzahlen zur Input-Output-Relation liefern jedoch kein solides Gesamtbild der Leistung, weil damit die Qualität des Programms nicht ausreichend berücksichtigt ist.

Der Erfolg von Medienunternehmen wird deshalb auch anhand des Erfolges am Publikumsmarkt beurteilt und an Reichweiten und Marktanteile gemessen. Im europäischen Schnitt erreicht öffentliches Fernsehen einen Marktanteil von 30,3 Prozent, seine Informationsprogramme bilden für 29 Prozent der Bevölkerung die Hauptnachrichtenquelle außerhalb des Internets (Fernsehen, Radio, Zeitung). Im Onlinebereich liegt die Bedeutung des öffentlichen Rundfunks als Nachrichtenquelle deutlich niedriger bei zehn Prozent. Man sieht, dass die Nachrichtenkonkurrenz im Internet erheblich und lediglich einen Klick entfernt ist.

"Dancing Stars" gehört zu den Publikumslieblingen der ORF-Zuschauer.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Publikumserfolg: hohe Bedeutung des ORF als Nachrichtenquelle

Auch bei solchen publikumsbezogenen Leistungsvergleichen schneiden die öffentlichen Veranstalter in Europa sehr unterschiedlich ab. Die Marktanteile reichen von hohen 45 Prozent für ARD und ZDF in Deutschland bis zu niedrigen 13 Prozent für den öffentlichen Rundfunk in Lettland. Der ORF liegt gemessen an Marktanteilen mit 35 Prozent (2014) im besseren Mittelfeld, erreicht aber als Nachrichtenquelle absolute Spitzenwerte. Für 46 Prozent der Bevölkerung stellen die Nachrichtenangebote des ORF die Hauptnachrichtenquelle außerhalb des Internets dar. Im Internet bildet das ORF-Online-Angebot für immerhin 21 Prozent die Hauptnachrichtenquelle. Spitzenreiter als Nachrichtenquelle im Onlinebereich ist die BBC mit 36 Prozent. Die Internetangebote der deutschen Rundfunkanstalten haben als Hauptnachrichtenquelle weit weniger Relevanz (sieben Prozent).

Publikumserfolg steigt mit Höhe der öffentlichen Mittel

Die verfügbaren Daten zeigen zudem Zusammenhänge zwischen der Finanzierung und dem Publikumserfolg. Dabei wird deutlich, dass Rundfunkveranstalter mit hoher öffentlicher Finanzierung tendenziell mehr Erfolg beim Publikum haben als ressourcenschwache Veranstalter. Je mehr verfügbare Mittel, desto höher die Marktanteile und die Bedeutung als Nachrichtenquelle. Veranstalter mit hoher öffentlicher Finanzierung werden von der Bevölkerung auch als unabhängiger von politischem Druck wahrgenommen.

Im europäischen Vergleich fällt auf, dass die finanzielle Unterstützung, der Publikumserfolg und das Vertrauen in die Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks in Skandinavien und Mitteleuropa besonders hoch ist. In Mittelmeerländern und Osteuropa verfügt öffentlicher Rundfunk tendenziell über weniger Ressourcen und geringeren Publikumserfolg, wobei es jedoch durchaus interessante Ausnahmen gibt. So erreicht die RAI in Italien überdurchschnittliche Marktanteile (38 Prozent) und Česká televize (ČT) in Tschechien einen hohen Stellenwert als Nachrichtenquelle (44 Prozent). Rádio e Televisão de Portugal (PRT) wird von einem hohen Anteil der Bevölkerung als "frei von politischem Druck" (47 Prozent) wahrgenommen, was für südeuropäische Rundfunkveranstalter eher untypisch ist.

Staatlich finanzierter Rundfunk wird als eher politisch abhängig wahrgenommen

Damit erreicht PRT in Portugal bei der Einschätzung der Unabhängigkeit von politischem Druck einen ähnlich hohen Wert wie der ORF in Österreich (48 Prozent). Spitzenreiter in puncto Unabhängigkeit ist YLE in Finnland. 65 Prozent der Finnen denken, dass ihr öffentlicher Rundfunk frei von politischem Druck agiert. Deutlich unterdurchschnittlich ist dieser Wert unter anderem in Spanien (20 Prozent), Lettland (25 Prozent) und Ungarn (30 Prozent). Das sind jene Länder, in denen die öffentliche Rundfunkfinanzierung aus dem Staatshaushalt erfolgt. Damit wird beispielhaft die Vermutung bestätigt, dass eine Budgetfinanzierung politischen Druck erhöhen und damit die Unabhängigkeit einschränken kann – zumindest in der Wahrnehmung der Bevölkerung.

Neues Finanzierungsmodell: gesellschaftliche Debatte vor politischer Reform

Insgesamt verdeutlichen die Studienergebnisse, dass die Rundfunkfinanzierung mit dem Publikumserfolg in Zusammenhang steht. Einsparungen und eine Finanzierungsreform sind möglich, aber ein durchaus sensibles Thema, bei dem es nicht nur um die "budgettechnischen" Fragen geht, ob, in welchem Umfang und über welchen Posten Steuerzahlerinnen und -zahler entlastet werden können. Es geht auch darum, welche Effekte damit für den öffentlichen Rundfunk verbunden sind, wie stark der öffentliche Rundfunk in Österreich sein soll und welche Leistungen von ihm erwartet werden.

Dabei sind auch die Eigenschaften des österreichischen Medienmarkts zu berücksichtigen, der durch schwierige Finanzierungsbedingungen aufgrund der Kleinstaatlichkeit, den starken Next-Door-Giant Deutschland und eine beispiellos hohe Boulevard-Konzentration gekennzeichnet ist – und in dem die Bedeutung der internationalen Internetplattformen am Publikums- und Werbemarkt steigt. Daraus resultieren zunehmend schwierige Bedingungen für nationale Qualitätsmedien, die jedoch weiterhin einen wesentlichen Teil der Infrastruktur der Demokratie bilden.

Eine politische Finanzierungsreform ohne eine breite gesellschaftliche Debatte über die Erwartungen an den öffentlichen Rundfunk im Kontext der aktuellen Entwicklungen am Medienmarkt greift zu kurz. In der Schweiz wurde diese Debatte im Vorfeld einer Volksabstimmung intensiv geführt. In Österreich sollte sie vor einer tiefgreifenden Reform ebenfalls geführt werden. (Tobias Eberwein, Matthias Karmasin, Florian Saurwein, 7.8.2019)