Homöopathische Zaubermittelchen dürfen als Medizin verkauft werden, an die strengen Zulassungsbestimmungen für Arzneimittel sind die Globuli aus Milchzucker allerdings nicht gebunden. So lässt sich die Arzneimittelrichtlinie der EU aus dem Jahr 2001 auf den Punkt bringen. Homöopathika gelten demnach als Medizin, weil die Hersteller es behaupten und nicht, weil sie eine Wirkung nachweisen können. Die "Initiative Homöopathie" macht in einem offenen Brief an die Abgeordneten der Europäischen Parlaments Druck, dieses absurd anmutende Arzneimittelprivileg für Homöopathika auf europäischer Ebene zu Fall zu bringen. Der Hintergrund: Länder wie England, Frankreich und Spanien verschärfen den Ton gegen die Homöopathie in nationalen Alleingängen. Mit anderen Worten: Auf EU-Ebene ist pharmazeutischen Unternehmen mit dem Vertrieb wirkungsloser Produkte nach wie vor ein Betrug gestattet, den immer mehr Regierungen durchschauen und einzudämmen versuchen.

Die Initiative gegen die Sonderstellung der Pseudomedizin ist ehrenwert und nötig. Warum Patienten, Kunden oder Geschädigte noch nie gegen den Betrug mit inhaltslosen Zuckerkugeln geklagt haben, erschließt sich dem Blogger nicht ganz. Was außer Betrug soll der Verkauf von Zucker als Arznei schon sein?

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Der Betrug mit Globuli ist nachweisbar - deren Wirkung nicht 

Homöopathische "Hochpotenzen" – die als besonders wirksam angepriesen werden – enthalten kein einziges Molekül des Wirkstoffs, der auf dem Etikett angeführt ist. Ein homöopathisches Mittel gegen hohen Blutdruck unterscheidet sich in keiner Weise von einem homöopathischem Mittel gegen niedrigen Blutdruck. Woraus "hochpotenzierte" Globuli bestehen: Aus Zucker und dem einen oder anderen Staubmolekül, das sich bei der Herstellung nicht vermeiden lässt. Die Tatsache, dass der vorgebliche Wirkstoff fehlt, ist analytisch ganz einfach beweisbar. Das würde auch vor Gericht gelingen.  Homöopathievermarkter argumentieren damit, dass die Kügelchen eine ominöse "Information" des nicht mehr vorhandenen Wirkstoffes in sich bergen. Der Nachweis dafür mag allerdings seit mehr als 200 Jahren partout nicht gelingen. 

Schamlos: Der Phytoschmäh führt Kunden auf die falsche Fährte

Wer kennt das nicht: Man sucht mit einem kleinen Wehwehchen die Apotheke auf, will aber keinen "Hammer" wie Voltaren oder ähnliches. Man verlangt etwa "sanftes" oder "natürliches". Schiebt der Herr oder die Frau Magister ein Pflanzensalbe, Tee oder andere Essenzen aus Gottes Garten über die Theke, ist alles im grünen Bereich. Bietet er allerdings ein hochpotenziertes Globuli an mit dem Hinweis auf – zum Beispiel: den Wirkstoff Arnica – und ohne Hinweis, dass von dem Heilkraut in dem Mittel gar nichts vorhanden ist, ist das eine grobe Täuschung des Kunden. Eine Täuschung, die offenbar bewusst in Kauf genommen wird. Auf den Webseiten fast aller Homöopathiekonzerne und homöopathischer Vereinigungen finden sich schöne Bilder satttgrüne Blätter, auf denen Tautröpfchen kullern. Vom Hersteller bis zum Verkaufspult in der Apotheke wird mit dieser Chimäre gespielt und der falsche Eindruck erweckt: Homöopathie sei Naturheilkunde. Das ist sie nicht, und wenn eine Apotheke sie als solche verkauft, sollte sie rechtlich belangt werden.

Die Lust der Kunden am Phantasma ist keine Ausrede

Die Lust des Kunden an einem Phantasma ist keine Rechtfertigung für den Betrug. Homöopathie ist beliebt, sie wird nachgefragt und sie wird daher von Ärzten angeboten. Ein Grund für die Akzeptanz des Arznei-Schwindels ist - abgesehen vom Phytoschmäh – die Lust am Irrationalen, die es offensichtlich in allen Gesellschaften gibt. Der Homöopathiekunde agiert wie ein Autobesitzer, der sich auf Anraten eines magischen Mechanikers anstelle von Benzin Frucade in den Tank leert. Der homöopathische Arzt agiert wie der magische Kfz-Mechaniker, der zur Frucade als Treibstoff rät und den Autobesitzer anweist, das Auto nach der Frucade-Gabe eine Weile in der Garage ruhen zu lassen. Die Frucade kommt von den Homöopathieherstellern, die Stein und Bein darauf schwören, dass Frucade ein sanfter und alternativer Treibstoff für das Auto sei. Alle drei stehen dann vor dem in der Garage geparkten Auto und sagen: "Frucade ist wirklich eine gute Alternative zum Schulbenzin, und nebenbei haben wir es der Erdölindustrie ordentlich gezeigt." Der Hersteller der vermeintlichen Zauberessenz und der magische Mechaniker sind längst über alle Berge, wenn der Autobesitzer sein Auto wirklich benötigt und es starten will. Was würden wir mit dem Meister einer Kfz-Werkstätte sagen, der uns beim Service tatsächlich Frucade in den Tank schüttet? Eben!

Ärzte, die Homöopathika verschreiben, ohne darauf hinzuweisen, dass die Kügelchen keine Wirkung zeigen können, die über den Plazeboeffekt hinausgeht, betrügen ihre Patienten. Und zwar völlig unabhängig davon, ob diesem Betrug vom Patienten offensichtlich zugestimmt wurde. Hömöopathika sind wirkungslos, aber mit einem ganzen Set von bedeutungsschwangeren Frames aufgeladene Mittelchen. Die Absurdität des teuren Zaubers wird dem Patienten mit dem ostentativen Zelebrieren eines distinguierten, alternativen Lebensstils abgegolten. Die Patienten sind, sofern es sich um Erwachsene handelt, freiwillig beim Globuli-Schamanen. Ist das ein  Freibrief für einen Arzt? Darf er wider besseres Wissen wirkungslose Mittel verschreiben, wenn eine klare Indikation für wirksame Medizin vorliegt? Auch das wäre spannender Stoff für einen Prozess.

Engagierte Wissenschafter und Ärzte setzen auf politischer Ebene und durch seriöse Meinungsbildung die Pseudomedizin erfolgreich unter Druck. Auf einen Aufsehen erregenden und richtungsweisenden Prozess eines Homöopathie-Geschädigten gegen den Betrug mit den wirkungslosen Pseudoarzneien warten wir leider noch. (Christian Kreil, 14.8.2019)

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