Christiane und Hans-Christoph zur Nieden
Umgang mit Sterbefasten

Fälle aus der Praxis
Mabuse-Verlag 2019
190 Seiten, 20,60 Euro

Foto: Mabuse-Verlag

In einer alternden Gesellschaft ändern sich auch die Lebensverhältnisse. Mitunter gibt es Menschen, die durch Krankheit oder Einsamkeit keinen Lebenswillen mehr aufbringen können oder wollen – deshalb flammt in regelmäßigen Abständen auch die Diskussion über Sterbehilfe auf.

Ein kürzlich erschienenes Buch mit dem Titel "Umgang mit Sterbefasten" geht das Thema von einer bislang wenig diskutierten Seite an. Was, wenn Menschen, die nicht mehr leben wollen, einfach die Nahrungsaufnahme einstellen – und ihrem Leben damit ein Ende setzen?

Christiane und Hans-Christoph zur Nieden, die Autoren dieses Buches, wissen, worum es bei diesem Themengebiet geht. Beide kenne sich mit dem Tod aus. Hans-Christoph zur Nieden ist Allgemeinmediziner und Palliativarzt, seine Frau Sterbe- und Trauerbegleiterin. Es gibt auch einen persönlichen Bezug: Christiane zur Nieden hat ihre Mutter beim Sterbefasten begleitet und aus dieser Erfahrung bereits ein Buch geschrieben.

Wie es Angehörigen geht

Im Nachfolgeband geht es vor allem um die Rolle der Angehörigen, die sich nach der Veröffentlichung bei ihr gemeldet und um Rat gefragt haben. Deren Informations- und Mitteilungsbedürfnis wird sie nun in diesem neuen Buch gerecht.

Was ist eigentlich Sterbefasten? Es ist die Weigerung eines Menschen, weiter zu essen oder zu trinken, um auf diese Weise dem eigenen Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen. Es ist eine Form des Suizids, der vor allem für Angehörige und Freunde eine große Herausforderung darstellt. Die Autoren lassen all jene Menschen zu Wort kommen, die diese schwierige Situation bereits erlebt haben. Klar ist: Nicht nur das Sterbefasten an sich, sondern auch der Umgang damit kann ein sehr schwieriger, psychisch belastender Prozess sein.

Durch Sterbefasten wollen die Betroffenen selbst entscheiden, wann ihr Leben enden soll.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Woran man stirbt

Eines der Stärken des Buches: Die Autoren liefern auch Fakten zum Thema, etwa über die physiologischen Vorgänge durch das Sterbefasten. Übersichtlich und sachlich wird der Nahrungs- und Flüssigkeitsverzicht erklärt, durch den es zur Dehydrierung und so zum Tod durch Nierenversagen kommt. Der Sterbeprozess ist allerdings höchst unterschiedlich und hat viel mit den Biografien der Menschen zu tun.

Einen gemeinsamen Nenner scheint es zu geben: Wer sich fürs Sterbefasten entscheidet, bezeichnet sich selbst als "lebens- und leidenssatt". Oft sind es Schmerzen oder die stark eingeschränkte Lebensqualität, die Menschen zu diesem Schritt bewegen.

Aufklärung als Grundsatz

Die Aufzeichnungen und Interviews von Familienmitgliedern, Pflegern oder Ärzten werden sehr emotional geschildert. Die jüngste Fastende, deren Geschichte in diesem Buch erzählt wird, war 54 Jahre alt, die älteste 95. Die Bandbreite der Schilderungen ist groß: von Sterbefasten als "dem friedlichst vorstellbaren Tod" bis zum "schrecklichst vorstellbaren Tod" ist alles enthalten. Diese Ausgewogenheit ist gut, zeigt sie doch die Vielschichtigkeit des Themas und was dieser Prozess für die Angehörigen bedeuten kann.

Christiane und Hans-Christoph zur Nieden brechen mit diesem Thema Tabus. Sie beschönigen nicht, sondern wollen aufklären. Wer sich für diesen letzen Weg im Leben entscheidet, muss sich darauf vorbereiten, wie die Autoren betonen. Zum Teil ist die Lektüre eine Herausforderung, insbesondere für alle, die am Leben hängen. (Katharina Janecek, 1.11.2019)