Häufig zieren Tapes die Waden von Läufern.

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Franziska Zoidl ist Journalistin und begeisterte Läuferin. Wenn es einmal wehtut, schreibt sie darüber.

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Wer gern laufen geht, hat sie sicher schon gesehen: muskulöse Läuferwaden, die mit blauen Klebestreifen verziert sind. Achillessehnen, auf denen schwarze Pflaster prangen. Und Schienbeine, die in filigrane pinke Klebestreifen gekleidet sind.

So wie mein Schienbein seit kurzem. Ich trainiere für den Berlin-Marathon im September und habe es vor einigen Wochen beim Laufen übertrieben. Mein Schienbein war beleidigt. Ein Schienbeinkantensyndrom, auch Shin Splints genannt, hat mir schon vor einigen Jahren einen Strich durch ein Marathon-Vorhaben gemacht, daher bin ich jetzt vorsichtig. Mein Physiotherapeut hat vor kurzem aber Entwarnung gegeben: Meine Knochenhaut ist nicht entzündet. Ich kann laufen, solange es nicht wehtut.

So begann ich wieder zu laufen – und spürte mein Schienbein sofort. Nicht weil es wehtat. Sondern weil ich mich bei jedem Lauf nur darauf konzentrierte, ob das Schienbein zwickt. Ich überlegte im Minutentakt, ob das, was ich gerade spürte, Schmerz sein könnte – oder eine Verspannung? Vielleicht auch einfach nur eine Erinnerung an einen stechenden Schmerz an der rechten Schienbeinkante, der gar nicht mehr da war?

Keine wissenschaftlichen Beweise

Eine befreundete Läuferin empfahl mir Tapes. Die bunten, elastischen Pflaster wurden vor einigen Jahren durch Fußball- und Volleyballspieler bekannt, die sich im Fernsehen damit zeigten. Sie stabilisieren, ohne die Beweglichkeit einzuschränken, und verpassen dem Gewebe bei jeder Bewegung eine kleine Massage. Das fördert die Durchblutung und aktiviert, so die Theorie, die Selbstheilungskräfte des Körpers. Wohlgemerkt: Wissenschaftliche Beweise zur Wirksamkeit der Methode gibt es nicht.

Die Physiotherapeutin Julia Haberzettl von der Sportordination in Wien wendet sie trotzdem gerne bei typischen Läuferbeschwerden an. Nicht nur bei Shin Splints, sondern auch bei Problemen mit der Achillessehne und dem Knie. Je nachdem, ob der Muskel stimuliert, der Lymphabfluss gefördert oder die Position der Kniescheibe verändert werden soll, werden die Pflaster mit unterschiedlicher Spannkraft angelegt.

Allerdings, das betont die Physiotherapeutin: "Tapes ersetzen niemals eine Therapie." Es sei aber schön, in Form der Tapes am Ende einer Einheit den Menschen etwas nach Hause mitgeben zu können. Überhaupt sollte man sich das Tapen von einem Profi zeigen lassen, rät Haberzettl. Dann können es viele alleine.

Pink und Orange

So habe ich es auch gemacht. Ich klebe einen langen Streifen mit wenig Spannung von meiner Ferse hinauf über mein Schienbein. Zwei kurze Streifen landen mit etwas mehr Spannung quer darüber – und zwar an jenen Stellen, die mir zuletzt Probleme bereitet haben. Die Pflaster halten einige Tage, danach muss ich sie erneuern.

Welche Bedeutung die unterschiedlichen Farben der Pflaster haben, hängt davon ab, wen man fragt: Ich trage Pink und Orange, weil die Farben in der Apotheke gerade lagernd waren. Und weil ich solche knalligen Farben beim Laufen irgendwie als positiv empfinde. Andere glauben an eine tiefere Bedeutung der Farben. Blau soll beispielsweise kühlend wirken, Rot wiederum wärmend.

Auch Physiotherapeutin Haberzettl lässt ihre Patienten die Farbe aussuchen. "Das Tape, das vor dem Frauenlauf angelegt wird, muss natürlich zum Outfit passen", sagt sie und lacht. Wichtig ist: Tapes sollen nicht über offene Wunden geklebt werden, auch bei Hauterkrankungen, Allergien auf den Kleber und im Bereich rund um das Kreuzbein in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft ist Vorsicht geboten.

Gestützt und geschützt

Seit zwei Wochen tape ich mich jetzt. Und seit ich klebe, spüre ich mein Schienbein nicht mehr. Egal ob es ein langer, langsamer oder ein kurzer, schneller Lauf ist. Mein Schienbein zwickt nicht mehr, und es fühlt sich nicht mehr verspannt an. Ich fühle mich durch die Tapes gestützt und geschützt. Die verwunderten Blicke auf der Straße, im Fitnessstudio und im Büro halte ich locker aus.

Das Beste an den Tapes: Ich kann beim Laufen plötzlich wieder an andere Dinge denken als an das Schienbein. So macht Laufen wieder Spaß. Und ganz ehrlich: Ob die Tapes tatsächlich meinem Körper helfen oder nur meiner Psyche, ist mir in der heißen Phase meines Marathontrainings völlig egal. (Franziska Zoidl, 18.8.2019)