"Ich war's der d'Annunzio, der die Duse den Deutschen entdeckte, war unter den ersten, die für Maeterlinck, Klimt und Moissi warben, war's der zuerst den jungen Hofmannsthal erkannt hat. Ich bilde mir darauf gar nichts ein, es ist eine Gabe der Witterung für Eigenart und Persönlichkeit, wie mancher ein gutes Gehör oder ein scharfes Gesicht hat", notierte Hermann Bahr 1919 in seinem Tagebuch.

Hermann Bahr war als Literatur- und Kulturtheoretiker des Wiener Fin de Siècle wesentlich an der Definition neuer Stilrichtungen beteiligt. Nebst vierzig Theaterstücken, zehn Romanen, vierzig Bänden kritischer Schriften, einer Autobiografie gründete er 1891 die Künstlervereinigung "Das Junge Wien".

David Österles Gruppenbiografie nähert sich dem illustren Literatenkreis kaleidoskopisch.
Foto: Kremar & Scheriau

Auf diese Gemeinschaft fokussiert das Sachbuch "Freunde sind wir ja eigentlich nicht". David Österles Gruppenbiografie nähert sich dem illustren Literatenkreis kaleidoskopisch. Der Wissenschafter, Mitarbeiter des Ludwig- Boltzmann-Instituts für Geschichte und Theorie der Biografie in Wien, betrachtet ihr Schreiben am Übergang von Tradition und Moderne, zwischen Historismus und Erneuerung, Ästhetik und Engagement, untersucht das soziokulturelle Bewusstsein zwischen Bürgertum und Aristokratie, erkundet Themen wie Liebe, Geschlechterrollen, Reisen, Schaffens- und Freizeiträume, Erfolge und Niederlagen und nicht zuletzt auch die komplizierten "freundschaftlichen" Beziehungen untereinander. Luzide werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Verbindendes und Trennendes und Fragen der individuellen und kollektiven Identität.

Neben dem Dandy Richard Beer-Hofmann, Arthur Schnitzler, dem literarischen Wunderkind Hugo von Hofmannsthal, dem als Netzwerker und "Gründer" des Jungen Wien im Hintergrund werkenden Bahr zählten auch Felix Salten, der posthum mit "Bambi", von Walt Disney verfilmt, und "Josefine Mutzenbacher" Berühmtheit erlangen sollte, sowie Leopold von Andrian, Paul Goldmann, Karl Kraus, Peter Altenberg, Stefan Zweig et alii zum mythenumwobenen Zirkel der Literaten, deren Epizentrum sich im Café Griensteidl befand. Aktuell könnte man nun den Untergang des Abendlandes reklamieren, bedenkt man, dass "das Griensteidl" – Gott hab es selig – dieser Tage zum Supermarkt degradiert wird. Na ja ... (Gregor Auenhammer, 7.8.2019)