Ohne Zweifel ein Dirigent von Weltrang, aber auch Ehrendoktor-würdig? Für Herbert von Karajan intervenierten die Salzburger Festspiele einst beim Landeshauptmann.

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2015 sorgte die Aberkennung des Ehrendoktorats von Nobelpreisträger Konrad Lorenz durch die Uni Salzburg für Kontroversen. Die damaligen Diskussionen bildeten den Anlass für den neuen Sammelband "Zuviel der Ehre", in dem die Praxis akademischer und staatlicher Ehrungen untersucht wird – unter anderem auch die Vergabe des Ehrendoktorats an den Dirigenten Herbert von Karajan durch die Uni Salzburg.

Die 1978 anlässlich seines bevorstehenden 70. Geburtstags erfolgte Verleihung des Ehrendoktorats der Philosophie an Karajan sorgte schon damals zumindest intern für Diskussionen, wie der Beitrag des Historikers Alexander Pinwinkler, der unter anderem auf Archivakten der Universität zurückgreifen konnte, zeigt. Im Mittelpunkt stand jedoch nicht die NS-Vergangenheit des Dirigenten, sondern dessen fehlende wissenschaftliche Leistung.

Fehlende wissenschaftliche Leistung

Bezeichnend ist auch die Genese des Ehrendoktortitels: Die Initiative dazu ging offenbar nicht von der Uni aus, sondern von den Salzburger Festspielen. So intervenierte deren damaliger Präsident Josef Kaut brieflich beim damaligen Landeshauptmann Wilfried Haslauer sen., schreibt Pinwinkler. Dieser wiederum wandte sich an den damaligen Rektor Wilhelm J. Revers und befürwortete die Ehrung, worauf die Uni "lieferte". Revers wiederum trug dem "hochverehrten Meister" untertänigst die Würdigung an: Für die Universität wäre es "eine große Ehre, wenn Sie mir die Mitteilung zukommen ließen, daß sie bereit sind, die beabsichtigte Ehrung anzunehmen".

Der Weg bis dorthin war aber nicht einfach: Unumstritten war die Ehrung intern angesichts der damaligen gesellschaftlichen Entwicklungen – das Universitätsorganisationsgesetz 1975 mit seiner stärkeren inneruniversitären Mitbestimmung war vor kurzem in Kraft getreten – nämlich nicht. Die Studentenvertreter verweigerten mehrheitlich die Zustimmung im Senat. Ihr Argument: Karajan habe (für die von ihm ins Leben gerufene Musikpsychologische Forschungsstelle) bereits eine Würdigung als Ehrensenator bekommen. Die geplante Verleihung eines Ehrendoktorats sei mangels eigener wissenschaftlicher Leistungen aber rechtswidrig, hielten sie in einem "Sondervotum" fest.

"Äußerst peinliche Situation"

Angesichts der Widerstände versuchte Revers den von der Politik herangetragenen Ehrungswunsch "durchzubringen" – dabei ging es nicht nur um die Person Karajan, sondern auch um das Standing der noch jungen Uni in der Stadt, die kurz davor ein Campus-Projekt aufgrund des Widerstands einer Bürgerinitiative aufgeben musste: In einem Schreiben an den Dekan der Jus-Fakultät fürchtete er, "daß wir in eine äußerst peinliche Situation kommen, wenn wir uns so verhalten, als gehöre unsere Universität nicht zu Stadt und Land Salzburg". "Händeringend" appellierte er daher, "zu verhindern, daß die Universität in einen neuen Gegenwind gerät."

Schließlich setzten sich die Ehrungsbefürworter im Senat mit 30 zu zehn Stimmen durch. Damals nicht thematisiert wurde die NS-Vergangenheit Karajans, der 1933 knapp vor deren Verbot in Österreich der NSDAP beigetreten war – unbekannt dürfte sie aber nicht gewesen sein. Im "Lebenslauf des Herrn Dr. h. c. Herbert von Karajan" in den Akten der Universitätsverwaltung klafft zwischen 1941 (Staatskapellmeister an der Staatsoper Berlin) und 1955 (künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker und der Wiener Staatsoper) eine "unverkennbare zeitliche Lücke", wie Pinwinkler schreibt. (APA, 7.8.2019)