Als ich vor einiger Zeit wieder mal in meinem geliebten Kochbuch von Louise Seleskowitz geschmökert habe, bin ich bei ihrem Backhendl-Rezept hängengeblieben. Ich fand es so bemerkenswert, dass ich es einfach einmal wortwörtlich abtippe:

Foto: Tobias Müller

Gebackene Hühner (Poulets frits á la Viennoise)

"Es wird hierzu eine junge zarte Gattung gewählt. Man taucht die Hühner, welche kurz vor dem Gebrauche abgestochen wurden, in kochendes Wasser, legt sie auf ein Brett, klopft die Hühner mit der flachen Hand und nimmt hierauf die Federn schnell ab. Wenn dies geschehen ist, werden die Eingeweide ausgenommen und die Hühner in kaltem Wasser gereinigt. Die Augen der Hühner werden ausgestochen, der Schnabel abgebrochen, der Kopf jedoch daran gelassen. Hat man hierauf die Füße bis zum Knie abgehauen, so werden die Hühner der Läge nach von einander geschnitten und jede Hälfte knapp ober dem Schenkel auseinander getheilt. Die Flügel werden rückwärts gegen den Hals gedreht, dann die Gelenke der Schenkelbeine eingeschnitten und die Schenkelbeine einwärts gesteckt.

Die zerschnittenen Hühner werden nun gesalzen, in Mehl getaucht, in aufgeklopfte, gesalzene Eier getunkt, in Semmelbröseln gewälzt und kurz vor dem Anrichten in einer Kasserolle in drei Finger hohem, heißen Fett (ein Theil Schwein und ein Theil Rindschmalz) gebacken. (…)

Foto: Tobias Müller

Unterdessen werden von den Hühnern Magen und Leber in Mehl, Eier und Semmelbrösel getaucht, in dem heißen Schmalz gebacken, hierauf mit dem Backlöffel heraus genommen, in eine Schüssel gegeben und die gebackenen Hühner aus der Röhre dazu gelegt. Man bestreut sie dann mit gebackener früher Petersilie und gibt sie mit beliebigem Salat oder Compot zu Tische."

Ich habe mir das Ergebnis prächtig vorgestellt: ein längsgeteiltes Huhn, samt Hals und Kopf und Kamm paniert, elegant gefaltet und goldbraun gebacken, und dann in einer prächtigen Porzellanschüssel mit wahrscheinlich krauser Petersilie serviert – das "halbe Backhendl" bekommt da eine ganz neue, viel ansehnlichere Bedeutung. (Dass das Huhn ja eigentlich geviertelt wird, habe ich in meiner Aufregung mehr oder weniger überlesen).

Ganz frische Hendln

Aber die Präsentation ist nicht das einzig Bemerkenswerte. Da ist die doch sehr frische Verwendung des Huhns, das direkt nach dem Schlachten, ganz ohne Abhängen, umgehend im Schmalz versenkt wird; das Mitpanieren der knackigen Mägen, einem Teil, den ich bisher als eher fürs langsame, lange Schmoren geeignet gehalten habe; die Servierempfehlung mit "Compot"; und das in der Zeit eh selbstverständliche, aber heute leider doch eher unübliche Herausbacken in einer Mischung aus Schweins- und Rinderschmalz. Das alles hat mich jedenfalls so begeistert, dass ich es unbedingt ausprobieren wollte.

Wie so oft, wenn ich kulinarisch Neuland betrete (Miso machen, Murmeltier schmoren, Aschesteak verkosten), habe ich den Christoph Fink gefragt, ob er mitmachen würde, und wie so oft hat er zu meiner großen Freude Ja gesagt. Das Besorgen der ganz frischen Hendln war ein wenig schwieriger. Glücklicherweise aber konnte ich die bestmöglichen Hendlhalter für unser kleines Backhendlprojekt begeistern: Hansi und Evelyne Pfaller.

Foto: Tobias Müller

Die Pfallers betreiben in Parndorf, gleich hinter dem Outlet Center, einen Biobauernhof und sind einer der ganz (ganz) wenigen verlässlichen Lieferanten für ganz köstliche Hühner (und Enten!).

Die Vögel verbringen ihr Leben auf dem Pfaller'schen Biobauernhof in einem mehrere Hektar großen Garten, picken Insekten unter alten Kriecherlbäumen oder baden unter Hollerbüschen im Sand. Wenn dann ihre Zeit gekommen ist, werden sie an Ort und Stelle von Hansi abgestochen und von Evelyne fachkundig gerupft und ausgenommen. Die Leber einer dieser Hühner, noch am selben Tag mit Majoran gebraten, gehört zu den größeren möglichen Genüssen.

Als ich ihnen von der Idee erzählt habe, auf ihrem Hof gerade geschlachtete Hühner im Schmalz zu backen, haben sie sofort zugesagt. Ihre Mutter habe Backhendl immer nur aus ganz frisch gestochenen Hendln gemacht, hat mir Evelyn versichert, sie habe das aber seit Jahren nicht mehr probiert. (In China zum Beispiel ist das immer noch gang und gäbe, wie zahlreiche Hühner- und Hasenkäfige und Fischbecken vor den Lokalen deutlich zeigen).

Am nächsten Hühnerschlachttag, einem prächtigen Samstag im Juli, sind wir ins Burgenland gefahren. Wegen der großen Hitze haben die Pfallers bereits gegen fünf Uhr früh mit dem Abstechen begonnen – wir haben daher ein Backhendl-Frühstück gefeiert.

Foto: Tobias Müller

Hansi hat gestochen, gemeinsam haben er und Evelyne gerupft und ausgenommen. Ich habe im Pfaller'schen Gemüsegarten frische heurige Erdäpfel geerntet, der Herr Fink hat daraus seinen grandiosen Erdäpfelsalat zubereitet (Rezept weiter unten), dann haben wir die frischen Hendln, so schnell wir konnten, zerlegt und paniert: Kurz nach dem Schlachten fallen Tiere in die Totenstarre, sie werden dann (je nach Art) für ein paar Stunden (Huhn, Fisch) bis Tage (Schwein, Rind) unessbar, weil furchtbar zäh.

Dieses Problem kann man nur umgehen, wenn man sie noch vor dem Einsetzen der Starre gart. In einer großen Schmalzpfanne – halb Pfaller'sches Schweineschmalz, halb mitgebrachtes Rinderfett – haben wir sie dann nach und nach herausgebacken.

Foto: Tobias Müller

Weil wir gar so übermütig waren, haben wir ein Huhn tatsächlich nur halbiert, paniert und ins Schmalz geworfen – und das war, leider, keine so gute Idee. Entweder war das Huhn zu groß, der Topf zu klein oder der Herd zu schwach, jedenfalls ist es uns nicht schön knusprig geworden und hat nicht so ansehnlich ausgesehen wie erhofft (der Kopf mit dem panierten Kamm war allerdings super zum Abnagen). Die kleiner geschnittenen Teile aber haben wunderbar funktioniert.

Foto: Tobias Müller

Die ganz frischen Hühner hatten einen milden, aber erstaunlich tiefgehenden Geschmack. Der auffallendste Unterschied zu abgelegenen Tieren lag vielleicht darin, wie fantastisch saftig das Fleisch war – fast so wie frischer Büffelmozzarella, bei dem bei jedem Biss die süß-animalische Molke rinnt. Selbst die zur Trockenheit neigende Brust war wunderbar. Der Herr Fink hat sie glücklich mit seinen mitgebrachten Tiroler Wildpreiselbeeren (Compot!) von der Mama genossen.

Foto: Tobias Müller

Ebenfalls super funktioniert hat das Panieren der Mägen: Sicher, sie waren nicht butterweich, hatten aber einen herrlichen, ganz eigenen Biss, der mich ein wenig an frischen Bambus oder chinesische Morcheln erinnert hat – sehr gerne wieder. Bloß bei einem Huhn waren wir zu langsam: Es war uns schon etwas in Totenstarre gefallen und war daher nur schwer zu kauen.

Wir haben bis in den frühen Nachmittag Hühner geschlemmt, Wein und Uhudler-Sekt getrunken und hatten auch für die nächsten Tage noch genug für Hühnersalat. Die Backhendln waren köstlich, der Star des Essens aber war fast, ich muss es zugeben, des Herrn Finks Erdäpfelsalat. Und weil oben eh schon steht, wie man die Hühner macht, hier sein Rezept.

Foto: Tobias Müller

Erdäpfelsalat nach Christoph Fink (und mehr oder weniger in seinen eigenen Worten)

• 600 g Erdäpfel (am besten gerade frisch aus der Erde geholt, Anm.)

• 100 g Zwiebel (diesmal grob) geschnitten

• knapper 1/4 l kräftige Hühnersuppe – kann gerne ein paar Fettaugen haben!

• 10 EL gutes Pflanzenöl – Erdnussöl

• 6 EL guten Apfelessig

• Dijon- und Estragonsenf

• 2 TL Salz

• Pfeffermühle

• 1 TL Zucker

Erdäpfel in der Schale in Salzwasser mit zwei frischen Lorbeerblättern kochen.

In einer Kasserole das Öl heiß werden lassen; darin die geschnittenen Zwiebel kurz anlaufen – eher pochieren als braten – lassen. Von der Hitze nehmen und mit Hühnersuppe und Apfelessig aufgießen. Die beiden Senfe, Salz und Zucker mit einem Schneebesen untermischen; es soll ein schön molliges Dressing werden.

Erdäpfel schälen und nach Belieben in Scheiben oder Stücke schneiden; bei den Heurigen entfällt das Schälen. Drei Viertel des warmen Dressings über die noch heißen Erdäpfel gießen, grob pfeffern und eine gute halbe Stunde bei Zimmertemperatur ziehen lassen.

Vor dem Servieren noch etwas vom zurückbehaltenen Dressing untermischen – für eine schön schlupfige Konsistenz. Nach Belieben mit Jungzwiebel oder Schnittlauch garnieren.(Tobias Müller, 11.8.2019)