Ein türkisches Gericht hat die Sperre von 135 Internetseiten angeordnet, "Bianet" ist doch nicht dabei.

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Istanbul/Wien – Ein türkisches Gericht hat die viel diskutierte Anordnung zur Sperrung eines großen unabhängigen Internetmediums rückgängig gemacht. Das sagte am Donnerstag die Rechtsanwältin der betroffenen Nachrichtenplattform "Bianet", Meric Eyüboglu. "Bianet" sei "irrtümlich" auf eine lange Liste von Web-Adressen geraten, die blockiert werden sollen.

Die Adresse sei bereits am Tag nach dem Urteil Mitte Juli wieder heruntergenommen worden. "Bianet" sei zunächst weder über das ursprüngliche Urteil noch über die Korrektur informiert worden. Die Plattform, die sich stark auf Menschenrechtsberichterstattung konzentriert, hatte am Dienstag über die Sperrung berichtet.

Mit dem gleichen Urteil hatte der Richter auf Antrag der Polizei die Sperrung von 135 weiteren Internetseiten angeordnet. Viele der aufgelisteten Seiten waren zunächst noch zugänglich. Auf der Liste stehen Twitter- und Instagram-Konten sowie Facebook-Seiten von oppositionellen Politikern, Künstlern und Medien. Die "Bianet"-Anwältin sprach von "großangelegter Zensur".

Willkührlich, gefährlich

Betroffen sind beispielsweise eine Abgeordnete der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Oya Ersoy, die linke Band "Grup Yorum", die sich selbst als "revolutionär" bezeichnet, und Webseiten im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013.

Das Gericht hatte sich für die Entscheidung unter anderem auf den Schutz des öffentlichen Lebens, der nationalen Sicherheit und des Präsidenten berufen. Medienrechtsaktivisten kritisierten sie scharf. Sie nehme "unabhängige Berichterstattung" ins Visier und sei willkürlich und gefährlich. Die Mediensperre sei ein "skandalöser Rundumschlag gegen die letzten Hochburgen der medialen Freiheit in der Türkei", erklärte Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen (ROG) Österreich in einer Aussendung. "Wir protestieren mit aller Vehemenz gegen diese unverhohlene Außerkraftsetzung des Rechts auf Information und damit diese offene und bewusste Verletzung der Menschenrechte in der Türkei."

Neue Regelungen

Medien und Oppositionelle stehen in der Türkei seit dem Putschversuch von 2016 stark unter Druck. Erst vergangene Woche hatte die Regierung eine weitreichende Regelung zur Kontrolle von Internetplattformen eingeführt, die Filme, Videos oder Radioinhalte verbreiten. Damit könnten nationale und internationale digitale Medien, aber auch Inhalte auf Plattformen wie Netflix zensiert werden.

Die Türkei hält den Rekord der meisten inhaftierten Journalisten weltweit und liegt in der Rangliste der Pressefreiheit von ROG auf Platz 157 von 180 Ländern zwischen Irak und Kasachstan. (APA, 8.8.2019)