Sie sind jung und wollen Veränderung.

Foto: Der Standard

In einem weißen, länglichen Zelt am Rande des niederösterreichischen Gänserndorf sitzen sechs Jugendliche auf einem hellen Teppich und diskutieren angeregt. Thema des Tages: "Wie erstelle ich einen Businessplan?" Die jungen Menschen stammen aus Wien, manche sind gar aus Hamburg oder Dresden angereist, um am YEP Changemaker Campdes jährlich stattfindenden Partycipation-Festivals teilzunehmen. Das Ziel? Jede und jeder Teilnehmende soll nach einer Woche Workshop mit einer konkreten Projektidee nach Hause gehen.

YEP, das steht für Youth Empowerment Participation – und für die Stimme der Jugend: "Ich habe oft erlebt, dass bei Podiumsdiskussionen ältere Männer sitzen, um über uns junge Menschen zu diskutieren", erzählt YEP-Gründerin Rebekka Dober. "Meine Antwort darauf war: Fragt doch die, um die es geht!" YEP unterstützt Jugendliche, die etwas verändern wollen, und hilft ihnen, dahingehend Projekte zu entwickeln. Das Social-Start-up legt den Jugendlichen auch eine Rutsche in Wirtschaft und Politik und verschafft ihnen Zugang zu diesem Bereich. Im August stellen einige Jugendliche die Ergebnisse solcher Kooperationen beim Europäischen Forum Alpbach vor. Auch mit der Fridays-for-Future-Bewegung gibt es viele Überschneidungen.

Sie mussten noch nie die Erfahrung machen, dass sich trotz Engagements nichts bewegt.
Foto: Rebekka Dober

Vor allem in der Schule bleibe oft keine Zeit für die Interessen der Jugendlichen, sind sich die Teilnehmenden des Changemaker Campseinig. "Ich habe mich lange gefragt, was ich bewegen kann. Das ist jetzt anders", so Teilnehmerin Lea. Sie will selbst etwas tun und nicht immer nur hören, in welch kritischem Zustand Gesellschaft und Planet sind.

Die Hälfte ist unter 30

Jeder zweite Mensch auf der Erde ist jünger als 30 Jahre – die Grenze, in der man in der EU als "jung" gilt. Doch die Jungen haben keine Stimme in institutionalisierten politischen Prozessen: Nur zwei Prozent von ihnen sitzen als Abgeordnete in Regierungen oder Parlamenten, so die Zahlen der Interparlamentarischen Union,dem globalen Forum für parlamentarischen Dialog. EU-weit darf nur in Österreich und Malta schon mit 16 Jahren gewählt werden. Ist das ein Grund, wieso Organisationen wie YEP und Protestbewegungen wie Fridays for Futureso viel Anklang finden?

Knapp die Hälfte der Teilnehmenden an den Klimademos der letzten Monate waren zwischen 14 und 19 Jahre alt, so eine Studie des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung mit Sitz in Berlin. "Natürlich gab es immer wieder Jugendproteste, aber eine derartige Mobilisierung zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema haben wir selten erlebt", sagt Studienautor Moritz Sommer von der Freien Universität Berlin.

Die Studie zeigt auch, dass die allermeisten jungen Demonstrierenden nicht etwa über soziale Medien, Eltern, Lehrer oder gar durch die Instrumentalisierung von Umweltorganisationen oder Parteien zur Bewegung gekommen sind: Sie haben sich selbst mobilisiert – mit dem Ziel, die Politik unter Druck zu setzen. Und das, obwohl viele Junge angeben, im Grunde wenig Vertrauen in die Lösungskompetenz der Regierungen zu haben. Für Sommer kein Widerspruch: Vielmehr zeige sich so die keineswegs naive Vorstellung der Jungen, dass gesellschaftliche Verantwortung nicht bei einem einzelnen Akteur liege. So geben die Jugendlichen auch häufiger als Erwachsene an, ihren Lebensstil etwa aus Klimaschutzgründen ändern zu wollen.

Vom Frust zum Tun kommen

Der YEP-Workshop geht in den dritten Tag. An den Zeltwänden hängen Ideenskizzen, Mindmaps und Sprüche wie "The best way to predict the future is to create it". Auch die Ideen für Projekte stehen schon: Lotte plant eine Aktion mit lokalen Schauspielern, um Menschen zu motivieren, die zwar über die Klimakrise Bescheid wissen, aber resigniert sind. Edi und Mila wollen das Recycling an ihrer Schule verbessern. Und Nico plant einen Klimalauf, bei dem der eigene ökologische Fußabdruck durch gelaufene Kilometer und damit verbundene Spenden von Sponsoren "getilgt" werden kann.

Zu Besuch im "Changemaker Camp", wo Jugendliche konkrete Projekte für mehr Ökologiebewusstsein entwickeln.
Foto: Rebekka Dober

Organisationen wie YEP könnten es schaffen, die Mischung aus politischer Frustration und dem Willen zum Aktivismus zu katalysieren, sagt Workshopleiter Kay Welber: "Es äußert sich gerade in der Klimabewegung, aber wir sind vielmehr eine Jugendbewegung, so wie es früher Arbeiter- oder Frauenbewegungen gab." Dabei gehe es nicht nur um den Protest an sich, sagt Teilnehmerin Lotte: "Ich finde es ärgerlich, dass das Klimathema aufs Streiken reduziert wird und die Tatsache, dass Schüler für unser aller Zukunft einstehen, in den Hintergrund gedrängt wird."

Auch wenn die Jugendlichen betonen, dass etwa bei Fridays for Future nicht nur junge Menschen, sondern alle gemeinsam marschieren, ist im Moment die jüngste Generation aller Zeiten am Zug. Sie stellt Generationengerechtigkeit und Partizipationsmöglichkeiten massiv infrage. Die starke Zivilgesellschaft, die gerne gefordert wird, wächst laut Rebekka Dober gerade heran – und kann auch für andere Generationen wegweisend sein: "Alle machen mit, die Jugend geht voran. Das ist unser Zukunftsmodell." (Katharina Kropshofer, 8.8.2019)