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Seit vier Jahren hält die Dieselabgasaffäre Behörden, Gerichte, Autohersteller und natürlich jede Menge Mechaniker auf Trab.

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An den Zulassungsbehörden in Österreich gehen die Abgasmanipulationen bei Diesel-Pkws der Abgasklasse Euro 6 von VW, Audi und Porsche zwar nicht spurlos vorüber. Besonders viel Engagement legt man bei Aufklärung oder Verfolgung der Gesetzesübertretungen allerdings nicht an den Tag. Auf Nachfrage des STANDARD verweist eine Sprecherin der zuständigen Behörde im Verkehrsministerium darauf, dass Rückrufe in der Verantwortung der Fahrzeughersteller liegen. Sie seien für Fahrzeugrückrufe zuständig.

Das trifft freilich nur teilweise zu. Denn die Strafbestimmungen des Kraftfahrgesetzes (KfG; Paragraf 134) sehen bei Zuwiderhandeln gegen Verordnungen und Zulassungsbestimmungen Geldstrafen von bis zu 5.000 Euro pro Fahrzeug vor. Das gilt auch für die "Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet", strafbar ist bereits der Versuch.

Milliardenstrafe – theoretisch

Bei tausenden Pkws – im ersten Schwung der Dieselaffäre waren in Österreich mehr als 380.000 Euro-5-Pkws betroffen, bei Euro-6 ist die Zahl nicht bekannt – wären das 1,9 Milliarden Euro Strafe.

Zuwiderhandeln liegt laut den Anfang der Woche vom "Handelsblatt" veröffentlichten Bescheiden des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) eindeutig vor. Von bis zu fünf unzulässigen Abschalteinrichtungen bei der Motorsteuerung zur Abgasreinigung ist beispielsweise im KBA-Bescheid für den Porsche Macan die Rede. Sie waren und sind in den von Audi ab 2010 entwickelten Motoren in Variationen auch in diversen anderen Modellen teils noch immer in Betrieb.

Welche Rückrufe bei den 2016 ins Visier der deutschen Zulassungsbehörde geratenen "Premiumfahrzeugen" in Österreich bereits erfolgt sind und vor allem, welche noch anstehen, war im Ministerium am Donnerstag nicht in Erfahrung zu bringen. Es geht, wie berichtet, um viel teurere SUVs und Limousinen als die Aggregate EA189 und EA288, die 2015 als erste Generation manipulierter Euro-5-Diesel-Pkws den Start der Dieselaffäre markierten.

Kraftfahrt-Bundesamt wurde tätig

Wie die Bescheide belegen, war das KBA seither nicht untätig. Die angeordneten amtlichen Rückrufe von Modellen der Dieselmotoren-Baureihen EA897 und EA897 evo sowie EA 898 verliefen allerdings schleppend, teils sind sie bis heute nicht erfolgt. Weil die amtliche Prüfung des Software-Updates durch die Behörde in Flensburg noch nicht abgeschlossen ist – oder von Audi beziehungsweise deren Konzernschwestern noch keine neue Software samt Rückrufplänen vorgelegt wurde.

Potenziell betroffenen Kunden läuft freilich die Zeit davon. Die Gewährleistung des Händlers im Fall eines Sachmangels läuft zwei Jahre ab Übergabe, eine Vertragsanfechtung ist drei Jahre ab Vertragsabschluss möglich – jeweils unabhängig von der Kenntnis, sagt der mit ersten Klagen für 3.0-Liter-Diesel wie einem Porsche Cayenne befasste Rechtsanwalt Thomas Kainz. Behelfe gegen den Verkäufer beziehungsweise die Verjährung sind von der Kenntnis des Schadens unabhängig.

Frist von drei Jahren

Etwas länger Zeit hat der Fahrzeughalter beim Vorgehen gegen den Hersteller: Ab Kenntnis von Schaden und Schädiger sind Klagen auf Schadenersatz oder Wandlung drei Jahre lang möglich. Kenntnis des Schadens erlangt der Kunde wohl erst mit Zustellung des Infoschreibens des Händlers beziehungsweise von Porsche Austria, die ihre Händler schadlos hält.

Wobei die Stichtage in der Praxis durchaus variieren können. Rund 21.500 Porsche Cayenne 3.0 l V6 TDI Euro-6 etwa wurden vom Hersteller am 28. Juli 2017 in Abstimmung mit dem KBA europaweit wegen "Unregelmäßigkeiten in der Motorsteuerungssoftware", die "bei internen Untersuchungen" festgestellt wurden, in die Werkstätten gerufen.

In der offiziellen Mitteilung des KBA vom 22. Jänner 2018 liest sich der Sachverhalt anders: Der Rückruf der Cayenne-Modelle der Baujahre 2014 bis 2017 ist zwecks "Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung" erforderlich.

Recht auf Rückabwicklung oder Wandlung

Anwalt Michael Poduschka führt angesichts des nicht geringfügigen Mangels der Fahrzeuge das Recht des Kunden auf Rückabwicklung oder Wandlung ins Treffen. Eine Verbesserung der Abgasreinigung durch Software sei in der angebotenen Form schon deshalb nicht zu erwarten, weil viele Euro-6-Pkws über zu kleine Tanks für die Harnstofflösung zur Abgasreinigung verfügten. Nicht wenige Gerichte attestieren dem Software-Update inzwischen Unzumutbarkeit, weil die Grenzwerte im realen Fahrbetrieb auch danach überschritten würden. Beim obengenannten Porsche Cayenne betrugen sie bei einem Prüfstandstest des TÜV Nord in Essen übrigens 134 Milligramm pro Kilometer statt der erlaubten 80 Milligramm. (Luise Ungerboeck, 9.8.2019)