Die Freiheitlichen machen mit dem Abstottern ihrer Vergangenheit ein gutes Geschäft. Seit ein burschenschaftliches Liederbuch antisemitischen Inhalts die Chance eröffnete, daraus publizistischen Gewinn zu ziehen, arbeiten die ideologischen Drahtzieher der Partei daran, diese optimal zu nutzen, indem man die versprochene rasche Aufarbeitung der Schweinerei als pseudowissenschaftlichen Strudelteig über den Tisch des Hauses zieht. Ein seriöses Ergebnis ist nicht abzusehen, umso besser, denn das garantiert auch nach dem ersten Jahr weiterhin viel Platz in den Medien, wie man geballt diese Woche feststellen konnte. Wo die Maxime gilt, Hauptsache, man schreibt über uns, egal wie, und einmal nicht über Ibiza und Kickl, war die Präsentation eines Rohberichts als Amuse-Gueule vor dem Gaumenkitzel einer in Israel approbierten Hauptspeise das Gebot der Stunde.

Die FPÖ-Historikerkommission bei der Präsentation des des Berichtes.
Foto: Christian Fischer

Wer braucht da noch ein Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes oder seriöse Historiker? Man geht dabei keinerlei politisches Risiko ein. Wer die an der Einzelfallsucht leidende FPÖ ohnehin für heillos rechtsextrem hält, wird sich nicht wundern, egal, was er zu sehen bekommt, und naivere Gemüter gehen dem Versprechen einer seriös wissenschaftlichen Aufarbeitung vielleicht doch auf den Leim. Manche so sehr, dass sie an dem blauen Märchen von tausendundeiner Seite mitgearbeitet haben. Und jene, denen die FPÖ ohnehin so gefällt, wie sie ist, werden sich an der Freiheitlichen Wissenschaft nicht stoßen.

Heimat- statt Systempartei

Der offen gehandelte Zweck des Unternehmens läuft darauf hinaus, die FPÖ zu einer Partei "wie andere auch" zu erklären – der dahinterstehende darauf, sie als eine Partei "wie andere auch" erscheinen zu lassen und doch zu bleiben, was sie immer war. Das zeigen die Widersprüche, in die sie sich dabei verstrickt. Hat sie sich doch bisher stets dagegen verwahrt, eben keine Partei wie andere zu sein, als "Heimatpartei" unter keinen Umständen wie eine der Systemparteien zu sein, die nichts anderes im Sinn haben, als die autochthone Bevölkerung unter gewissenloser Vernachlässigung ihres Deutschtums der Umvolkung auszusetzen.

Jetzt wollen sie wirklich werden "wie andere auch"? Da werden sich die historischen Höhlenforscher der Partei etwas mehr anstrengen müssen. Und wie bringen sie das erst ihren identitären Freunden bei? Das würde viele Enttäuschungen geben, sollte auch nur einer darauf hereinfallen. Die Unterstellung, die FPÖ wäre eine Nachfolgerin der NSDAP, beschäftigt heute weniger als die Gefahr, sie könnte die Vorläuferin eines neuen Rechtsextremismus sein, die sich mit dem Anspruch auf Gedankenfreiheit als normale Partei in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren versucht.

Die FPÖ von diesem Verdacht zu reinigen sollte die Aufgabe der parteiamtlichen Aufarbeiter sein, kann aber bei aller Unwissenschaftlichkeit nicht gelingen, solange Leute, die das Recht der Politik folgen lassen möchten, in ihr den Ton angeben und Auftritte wie in Ibiza intern zum Wiener Bürgermeister befähigen.

Noch ist der blaue Historikerbericht nicht fertig, aber wenn Putin zustimmt, sollte es nicht mehr lange dauern. Die Medien werden voll sein. (Günter Traxler, 8.8.2019)