Störe gehören zu den größten Süßwasserfischen der Welt und sollten eigentlich auch unser Land regelmäßig in der Donau durchqueren.
Foto: Andi Küchenmeister

Berlin – Um schwimmender Megafauna zu begegnen, muss man nicht in den Ozean abtauchen. Auch in den Binnengewässern der Erde tummeln sich allerhand große Brocken. Die Bandbreite reicht von Seekühen und Flussdelfinen über Krokodile und Riesenschildkröten bis zu Rochen und Haien (gibt es auch im Süßwasser!) sowie verschiedensten Arten von Knochenfischen. Was 30 Kilogramm oder mehr wiegt, rechnen Forscher der Süßwasser-Megafauna zu.

Und die gibt es auch nicht nur in fernen Ländern. Mit dem bis zu sechs Meter langen Hausen oder Beluga-Stör (Huso huso), dem bis zu eineinhalb Meter langen Huchen (Hucho hucho), einem Verwandten des Lachses, und natürlich dem bis zu drei Meter langen Flusswels (Silurus glanis) sollten sich gleich drei Riesen in der Donau tummeln.

In Nordamerika zählt der Alligatorhecht zu den größten Flussbewohnern. Er kann bis zu drei Meter lang werden.
Foto: Zeb Hogan

Diese uns vertrauten Riesen verweisen aber zugleich auf das Problem, mit dem die Süßwasser-Megafauna heute konfrontiert ist: Sie befindet sich weltweit im Rückgang, und das teilweise in dramatischem Ausmaß. So lautet das Fazit einer Studie, die nun im Fachmagazin "Global Change Biology" erschienen ist. Von 1970 bis 2012 sind die globalen Bestände der Süßwasser-Megafauna um 88 Prozent zurückgegangen, berichtet das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Diese Rate ist doppelt so hoch wie bei Wirbeltieren an Land oder im Meer. Besonders betroffen seien große Fischarten.

"Erschreckende Ergebnisse"

Ein internationales Forscherteam trug Bestandsdaten von 126 Spezies weltweit sowie historische und aktuelle geographische Verbreitungsdaten von 44 Arten in Europa und den USA zusammen. "Die Ergebnisse sind erschreckend und bestätigen die Befürchtungen von Expertinnen und Experten, die sich mit der Erforschung und dem Schutz der Süßwasserfauna beschäftigen", sagt Studienleiterin Sonja Jähnig vom IGB. "Laut der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN gilt über die Hälfte aller bewerteten Megafauna-Arten im Süßwasser als vom Aussterben bedroht. Dennoch erhalten diese Arten weniger Aufmerksamkeit von Forschung und Naturschutz als die Megafauna in terrestrischen oder marinen Ökosystemen", so Jähnig.

Im untersuchten Zeitraum sind die Bestände großer Süßwassertierarten um 88 Prozent zurückgegangen, vor allem in den Regionen Orientalis (um 99 Prozent) und Paläarktis (um 97 Prozent) – erstere umfasst Süd- und Südostasien sowie das südliche China, letztere Europa, Nordafrika und den größten Teil Asiens. Große Fischarten wie Störe, Lachsfische und Riesenwelse sind besonders betroffen: Sie stehen mit 94 Prozent Rückgang an der Spitze, vor Reptilien mit 72 Prozent.

Der Huchen wird auch Donaulachs genannt. Er gilt mittlerweile als stark gefährdet.
Foto: Foto: CC BY-SA 4.0 / Liquid Art

Die Ursachen sind vielfältig – allerdings stets auf den Menschen zurückzuführen. Dazu gehören etwa die Übernutzung der Bestände für den Fleisch- und Kaviarkonsum, die Verwendung von Stör- oder Reptilienhaut für Luxusartikel und Medizinprodukte oder auch die Zerstörung des Lebensraumes: "Der Rückgang von großen Fischarten wie dem Stör liegt auch an der zunehmenden Verbauung von Fließgewässern, durch die der Zugang zu Laich- und Futtergründen versperrt wird", sagt Studienerstautor Fengzhi He vom IGB.

Trotzdem seien weltweit weitere 3.700 große Staudammprojekte in Planung oder Bau, womit sich die Situation noch verschärfen werde. Mehr als 800 dieser geplanten Staudämme befinden sich laut dem Biodiversitäts-Experten in genau den Gebieten mit der größten Artenvielfalt an Süßwasser-Megafauna – darunter die Einzugsgebiete von Amazonas, Kongo, Mekong und Ganges.

Vereinzelte Lichtblicke

Immerhin gibt es auch den einen oder anderen Hoffnungsschimmer: Dank gezielter Schutzmaßnahmen sind die Bestände von 13 Süßwasser-Megafauna-Arten in den USA stabil oder wachsen sogar. Das gilt laut den Forschern etwa für den Grünen Stör (Acipenser medirostris) und den Amerikanischen Biber (Castor canadensis), der wie sein europäischer Verwandter gerade noch unter die Etikette Megafauna fällt. In Asien wiederum ist die Population des sowohl in Flüssen als auch im Meer lebenden Irawadidelfins (Orcaella brevirostris) zum ersten Mal in zwanzig Jahren gewachsen.

Mit dem Irawadidelfin geht es wieder zaghaft nach oben.
Foto: APA/EPA/BARBARA WALTON

Europa hingegen bleibt ein Sorgenkind. Hier scheinen effiziente und großangelegte Schutzstrategien schwieriger umsetzbar – vielleicht aufgrund politischer Grenzen und länderspezifischer Unterschiede im Umweltbewusstsein, so die Forscher. Trotzdem habe sich beispielsweise der Europäische Biber (Castor fiber) mittlerweile wieder in vielen Regionen angesiedelt, in denen er lange als ausgerottet galt. In Deutschland engagiert sich das IGB zudem mit internationalen Partnern dafür, die beiden einst heimischen Störarten Europäischer Stör (Acipenser sturio) und Atlantischer Stör (Acipenser oxyrinchus) wieder in europäischen Gewässern anzusiedeln. (red, 9. 8. 2019)