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Ein E-Sportler bei einem Turnier in Las Vegas.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Joe Buglewi

Aufstehen, spielen, kurz essen und wieder schlafen gehen. Sechs bis sieben Tage die Woche – monatelang. Auch wenn eine Karriere als E-Sportler für viele Heranwachsende verlockend, ja geradezu wie ein Traumberuf erscheint, geht der Job als kompetitiver Gamer mit viel Verzicht, Stress und Glück einher. Mit Videospielen Geld verdienen wollen viele, nur ganz wenige schaffen es. David "Aqua" Wang aus Kärnten ist so einer. Der 17-Jährige konnte bei der Fortnite-Weltmeisterschaft den Duo-Bewerb und somit rund 2,7 Millionen Euro mit seinem norwegischen Teamkameraden gewinnen. Monate vor dem Wettkampf spielte der Bursche vier bis acht Stunden täglich. Kurz vor dem Turnier soll er noch intensiver trainiert haben, um sein Wissen über das Spiel und sein Reaktionsvermögen zu verbessern. Millionen Jugendliche wollen wie Wang sein – und ihr Hobby zum Beruf machen. Dabei wird gerne ausgeblendet, wie anstrengend das Leben eines kompetitiven Gamers ist.

AQUA

"Diese Zeit hat mich fertiggemacht"

Der Wiener En-Qiang "XoYnUzi" Zhou kann ein Lied davon singen. Der 25-Jährige hat seine Karriere als Profi bereits an den Nagel gehängt. Zhou zählte eine Zeitlang zu den besten League of Legends-Spielern in Europa und entschied sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere dann doch für die Schule. Die Matura war ihm wichtiger, ein Leben als Profi-Gamer zu risikoreich und anstrengend. Zhou verbrachte nach seinem Schulabschluss auch drei Monate in einem sogenannten Gaming-House. Dort leben E-Sportler zusammen und trainieren gemeinsam, damit sie bei Turnieren gut harmonieren. Das Leben des jungen Mannes bestand dort aus zehn Stunden spielen, dazwischen etwas essen und schlafen. "Diese Zeit hat mich fertiggemacht", erzählt der Wiener dem STANDARD.

En-Qiang "XoYnUzi" Zhou hat seine Profi-Gamer-Karriere an den Nagel gehängt und ist nun Streamer.
Foto: Red Bull Austria/Zhou

Leben als Streamer "bequemer"

Ganz hat er dem Gaming aber nicht den Rücken zugekehrt. Der Student lebt nun davon, auf Twitch vor der Kamera League of Legends zu spielen. Hunderte schalten bei ihm ein und unterstützen ihn auch finanziell mit Spenden und Abos. Das Leben des 25-Jährigen soll nun deutlich "bequemer" sein: "Ich kann mir einteilen, wann ich was mache, und muss nicht auf dem höchsten Niveau spielen."

Körperlicher Ausgleich und Psychologen

Mit 25 Jahren ist man im E-Sport ohnehin ein Urgestein. Viele ehemalige Profis werden Streamer oder Trainer. Alexander "kakafu" Szymanczyk aus Wien war bis vor kurzem Coach beim deutschen CS:GO-Team BIG. Er hat als ehemaliger Profi den Wandel des E-Sports hautnah mitbekommen. Dazu gehörte auch, sechs Tage die Woche mit seinen Spielern zu arbeiten. "Kein Team hat am Sonntag frei, nur am Samstag wird ein Ruhetag eingelegt", erklärt er gegenüber dem STANDARD. Seit der E-Sport auf der großen Bühne angelangt ist, ist auch der körperliche Ausgleich in den Fokus vieler Teams gerückt. Um die Konzentration stundenlang aufrechtzuerhalten, legen die Organisationen ihren Spielern körperliches Training nahe. Szymanczyk sieht aufgrund des ständigen Leistungsdrucks mittlerweile auch den Bedarf eines Psychologen, der sich um die Profis kümmert: "Langsam wird es auch im E-Sport zu viel für einen einzigen Coach."

Leistungsdruck und Doping

Da der elektronische Sport mittlerweile mit Millionensummen lockt, drängen immer mehr und jüngere Spieler in die Branche. Bei der Fortnite -Weltmeisterschaft war der jüngste Teilnehmer etwa nur 13 Jahre alt, der älteste 24. Durch den Überfluss an Nachwuchs erhöht sich der Druck auf aktive Profis umso mehr. Ein paar schlechte Leistungen und schon ist man weg vom Fenster und ausgetauscht.

Das Interview, in dem der E-Sportler zugab, Adderall genommen zu haben.
LAUNDERS CSTRIKE

"Wir waren alle auf Adderall"

Um das Maximum aus sich herauszukitzeln, haben manche E-Sportler in der Vergangenheit nicht vor Doping zurückgeschreckt. 2015 verriet der CS:GO -Spieler Kory "Semphis" Friesen, dass seine gesamte Mannschaft bei einem wichtigen Turnier "durchgehend high" war. "Wir waren alle auf Adderall", erzählte der kanadische Profi in einem Interview. Das verschreibungspflichtige Medikament wird normalerweise zur Behandlung von ADHS oder anderen Konzentrationsschwächen eingesetzt. Laut Friesen sollen alle Teams des Turniers gedopt haben.

Doping im E-Sport als "Wilder Westen"

Bei anderen Spielen soll die Leistungssteigerung mit "smarten Pillen" laut einem langjährigen Beobachter ebenso weitverbreitet sein. Das Thema Doping wird im E-Sport trotzdem sehr stiefmütterlich behandelt. Nur der Veranstalter ESL und die Fifa testen Spieler bei Turnieren. David Howman, der ehemalige Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) sprach in diesem Zusammenhang erst kürzlich von einem "Wilden Westen".

Austrian Force e-Sports

Wenn Geld keine Rolle spielt

Es gibt aber auch eine andere Seite des E-Sports. Diese findet man hauptsächlich im semiprofessionellen beziehungsweise Amateurbereich. Das große Geld gibt es hier nicht, dafür aber Spaß und Freundschaften. Die beliebtesten Spiele wie League of Legends, Dota und Counter Strike sind nämlich auf Teamarbeit ausgelegt. Gemeinsam und auch allein trainieren Gamer für E-Sport-Events, die mittlerweile auch in Österreich immer häufiger stattfinden. Benedikt "Skizzen" Bauer aus Wien spielt etwa 20 Stunden pro Woche das Autofußballspiel Rocket League. Fünf Stunden davon entfallen auf Teamtrainings mit seiner Mannschaft Austrian Force. Der größte Motivator ist für den 24-Jährigen, wenn er bei Turnieren sein Können unter Beweis stellen kann. "Schlussendlich sind wir alle enorm kompetitiv und werden motiviert, indem wir einfach immer mehr trainieren, mehr spielen und besser sein wollen als unsere Kollegen", erzählt er dem STANDARD.

Luigikid Gaming

Österreich noch ein Entwicklungsland

Auch für René "Luigikid" Wurz ist E-Sport eine große Leidenschaft, die er bei Turnieren ausleben kann. Der 23-jährige Fitnesstrainer spielt seit seiner Kindheit das Kampfspiel Super Smash Bros. und hat sich damit einen Lebensunterhalt aufgebaut. Wurz verdient sein Geld mit Youtube-Videos und Streams rund um das Game von Nintendo. Von seinen Teilnahmen bei heimischen Wettbewerben kann Wurz jedoch nicht leben: "In Österreich sind wir, was E-Sport betrifft, noch etwas hinten nach. Allerdings befinden wir uns auf dem richtigen Weg."

FC Schalke 04 Esports

Zustände wie im Spitzensport

Andernorts ist das Leben eines E-Sportlers kaum mehr von dem eines Fußballprofis zu unterscheiden. Der 19-jährige Felix "Abedagge" Braun etwa spielt für das League of Legends-Team von Schalke 04 in der höchsten Spielklasse LEC. Der Tag des Profis fängt um 9.30 an und endet um 19 Uhr. In dieser Zeit spielt der Deutsche allein sowie mit seinen Teamkameraden, ernährt sich gesund, macht Sport- und Dehnübungen und arbeitet mittels Videoanalysen und Teambesprechungen gemeinsam mit einem Trainer an seiner Leistung, wie er dem STANDARD erzählt. Schalke 04 unterstützt seine Profi-Gamer auch mit Sport- und Gesundheitsexperten sowie einer Performance-Managerin, damit sie ihr Leistungsmaximum abrufen können. Freunde und Familie haben den Weg des 19-Jährigen immer unterstützt, wofür er seinen Angaben nach extrem dankbar ist.

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"Man muss nichts anderes im Leben wollen"

Braun ist allerdings ein spielerisches Ausnahmetalent – einer der ganz wenigen, der es tatsächlich auf die große E-Sport-Bühne geschafft hat. Millionen anderen bleibt diese Chance trotz täglichen Spielens verwehrt. Das hat laut Zhou auch einen Grund: "Nicht jeder Gamer kann E-Sportler werden. Man muss Talent haben und zielstrebig sein. Man darf auf keinen Fall dafür spielen, E-Sportler und berühmt zu werden. Man muss eine Leidenschaft haben und nichts anderes im Leben wollen." Damit geht laut dem Wiener zuletzt auch viel Verzicht einher: "Man verpasst seine besten Jahre, wenn man Profi ist." (Daniel Koller, 11.8.2019)