Mitte 1960 stellte Volkswagen den neuen Käfer vor. Der hatte eine ganze Reihe von Neuerungen. So wurde der Winker durch einen Blinker ersetzt, und während das Inlandsmodell weiter mit 30 PS Leistung auskam, erstarkte das Exportmodell auf 34 PS und bekam eine Startautomatik. In der Blüte seines Wirkens war der Käfer 4,14 Meter lang und 1,59 Meter breit.

Während der erste Golf 1974 noch 3,73 Meter lang war, misst das Facelift des Golf VII 4,26 Meter. Inzwischen ist der aktuelle Polo, der kleine Bruder des Golf, größer als der Ur-Golf.
Foto: Volkswagen

Drei Jahre später brachte Porsche den ersten 911er. Ein Sportwagen schlechthin. Schnittig, luxuriös und so sportlich, dass man ihn nur sehr ehrfürchtig fuhr. 130 PS stark war er, 4,29 Meter lang und 1,65 Meter breit. Heute beschleunigt jeder räudige Turbodiesel besser, Autos der gleichen Länge werden nun als Kompaktwagen bezeichnet, und selbst der kleinste VW, der up!, ist mit 1,64 Meter fast so breit wie der damals sehr eindrucksvolle 911er. Der aktuelle 911 Carrera S hat eine Leistung von 450 PS, vor der man sich aber nicht mehr fürchten muss, er ist 4,52 Meter lang und 1,86 Meter breit. Natürlich sind da die Spiegel noch nicht mitgemessen.

Wie bei Fernsehern, Telefonen, dem Fleischkonsum und den Flugzeugen gab es auch bei Autos eine rasante Entwicklung, und in deren Folge wurden sie größer. Der Grund, warum uns das aber gerade bei den Autos so stört, liegt darin, dass die Parkplätze nicht mitgewachsen sind. Ein Normparkplatz ist laut österreichischer Bauordnung bis zu 2,5 Meter breit und 4,8 Meter lang.

Die automobile Realität

Die Luxuslimousine BMW 7er ist mit Spiegeln 2,17 Meter breit und 5,12 Meter lang, der Luxus-SUV von Mercedes-Benz, der GLS, sprengt schon ohne Spiegel die Zwei-Meter-Marke in der Breite, und mit seiner Länge von mehr als 5,2 Metern steht er, wie der 7er, vorne und/oder hinten auch noch aus dem Parkplatz raus. Das ist jetzt nicht nur ärgerlich, wenn man sich mit so einem Auto in einen Parkplatz zwängen will – die Türen kriegt man ja nicht mehr auf, wenn da jemand daneben parkt, muss man durch das Glasschiebedach aussteigen oder warten, bis wer wegfährt -, sondern auch wenn man mit einem halbwegs normalen Pkw neben so einem Auto parken muss. Und da sind wir wohl beim zweiten Grund, warum es nervt, dass die Autos immer größer werden.

Der Neid nämlich, dass der andere mehr hat als wir. Oder sagen wir es galanter, dass unsere Sparsamkeit mit dem öffentlichen Raum von anderen schamlos ausgenützt wird. Da wäre es doch wirklich besser, wenn die Autos immer kleiner werden würden. Ja, eh, vor allem auch deswegen, weil einem selbst dann der Aufstieg in eine höhere Fahrzeugklasse leichter fallen würde.

Abstriche zu machen fällt eben schwer. Es ist ja nicht so, dass es keine kleinen Autos gäbe. Sie verkaufen sich sogar deutlich besser als die Luxuskarossen, die in der Zulassungsstatistik ja nur wie Brösel auf einem Buffet sind. Am besten hat sich heuer im Juli, mit 1202 neu zugelassenen Fahrzeugen, der VW Polo verkauft – der übrigens inzwischen größer ist als der erste Golf von 1974. Von Jänner bis Juli 2019 dominierte der Skoda Octavia mit 6968 neu zugelassenen Fahrzeugen die Statistik. Im Vergleich dazu wurden im gleichen Zeitraum 183 7er und zehn GLS neu zugelassen (Quelle: Statistik Austria).

Die Ahnengalerie des Porsche 911.
Foto: Porsche

Eine kleine Sensation ist, dass erstmals seit 40 Jahren der Golf vom Thron der Zulassungsstatistik gestoßen wurde. Aber nicht, weil die Kunden nun zu kleineren Autos greifen. Der Golf VII ist am Ende seines Lebenszyklus. Demnächst kommt das neue Modell auf den Markt. Zudem basieren der Skoda Octavia und der Golf auf der gleichen Plattform. Außerdem musste der Golf nun Marktanteile an seinen SUV-Bruder T-Roc abgeben, der in der Zulassungsstatistik natürlich eigens geführt wird.

Der SUV- und, noch perverser, der Pick-up-Boom selbst sind ja die beste Anzeichen dafür, dass die Kunden keine kleineren Autos wollen. Wobei verständlich ist, dass man sich verbessern möchte. Wer seinen alten Ford Fiesta gegen den neuen Fiesta tauscht, erwartet sich auch ein deutlich besseres Auto. Und wenn sich der nächstgrößere Focus ausgeht, umso besser. Das sieht man gerade jetzt bei Ford sehr schön: Als Ford den aktuellen Fiesta wie üblich wachsen ließen, bauten sie auf der alten Fiesta-Plattform, mit dem Ka+, quasi den alten Fiesta weiter, ohne viel Tand, rüsteten ihn mit Motoren bis 95 PS aus und verkaufen ihn ab unter 10.000 Euro. Man braucht aber gar nicht mit allzu offenen Augen unterwegs zu sein, um zu sehen, dass sich der neue, teurere Fiesta viel besser verkauft. Der Kunde hat hier ganz klar entschieden.

Wir wollen höher sitzen, um besser sehen zu können, wir wollen mehr Sicherheit, wir wollen mehr Komfort und bessere Fahrleistungen. Ein Auto mit einer Leistung unter 100 PS ist heute so selten, wie es eines mit mehr als 100 PS in den 1970er-Jahren war. Damals hatten wir Blechstangen ans Auto montiert, damit der Wagen keinen Kratzer bekommt. Heute haben wir einen Fußgängeraufprallschutz mit weichen Stoßstangen, die mit gehörigem Abstand zum Kühler angebracht sind, damit bei einem Aufprall viel Energie vom Auto aufgenommen werden kann. Mercedes-Benz sprengt bei einigen Modellen, bei einer Kollision mit einem Fußgänger, sogar die Motorhaube ein Stück ab, damit der Aufprall sanfter ist.

Supercomputer Auto

In jedem aktuellen Auto ist heute ein Computer verbaut, besser als das Zeug, mit dem man noch vor ein paar Jahren zum Mond geflogen ist. Für den Bildschirm hätte man in den 1980ern noch ein Vermögen bezahlt. Moderne Autos sind mit Sensoren und Kameras ausgerüstet, halten von selbst Abstand und sich in der Fahrspur – vor kurzem noch undenkbar und bald so beeindruckend wie ein Festnetztelefon heute. Das alles braucht, wie auch die bessere Geräuschdämmung, viel Platz.

Die Autobauer kommen dem Diktat der Kunden gerne nach. Sie finden sogar Lösungen für unser eingangs erwähntes Parkplatzproblem. Moderne Autos parken ferngesteuert und fahrerlos ein. Das lindert nun die Sorgen der Fahrer der großen Autos, nicht aber das Leid der Danebenparker.

Aber bevor jetzt Verkehrsteilnehmer, die bei diesem Wettrüsten nicht mitmachen wollen, vollends verzweifeln: Es gibt auch Gegenbewegungen. Die eine, die hält schon länger an, und man kennt sie vielleicht vom eigenen Opa, dessen letztes Auto ein Kleinwagen war, weil er irgendwann draufkam, dass er ein riesiges Auto gar nicht braucht. Die andere zeigt ein weiterer Blick in die Zulassungsstatistik. Dort hat das Segment der Pkw mit 36 bis 54 PS, im Vergleich zum Vorjahr, um mehr als 1272 Prozent zugelegt – während sonst nur das Segment über 172 PS (und das unter 35 PS) wächst. Verantwortlich dafür sind E-Autos. Das Geheimnis dahinter: Die Autos haben eine permanent abrufbare Leistung von beispielsweise 38 PS (wie der Elektro-Kona von Hyundai oder der E-Niro von Kia), verfügen aber über eine kurzzeitig verfügbare Spitzenleistung von 204 PS. Eine Eigenheit, die allen E-Autos gemein ist, nämlich, das Antriebssystem für kurze Zeit stark überlasten zu können. (Text: Guido Gluschitsch, Animation und Recherche: Sebastian Kienzl, Daniela Yeoh, 12.9.2019)