Nomen non est omen: Auch wenn "Atomik" das Gegenteil vermuten lässt, so ist der Wodka, der aus Getreide in der Gegend von Tschernobyl gebrannt wurde, nicht radioaktiv.
Foto: APA/AFP/University of Portsmouth

Am 26. April 1986 explodierte der Reaktor 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl und blies eine riesige Wolke radioaktiven Staubs in die Atmosphäre. Als Folge dieses schwersten Atomunfalls der Geschichte wurden 350.000 Bewohner der Region evakuiert. Zudem errichtete man eine fast 3.000 Quadratkilometer große Sperrzone rund um die Ruine des Atomkraftwerks.

Heute werden touristische Exkursionen in die Sperrzone angeboten, die für 24.000 Jahre als verstrahlt gilt, aber dennoch zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Neue Studien zeigen, dass es dort tatsächlich eine für die Region vergleichsweise beeindruckende Artenvielfalt gibt, während die Auswirkungen auf Flora und Fauna eher minimal zu sein scheinen.

Forscher auf Abwegen

Einer der internationalen Experten, die seit rund 30 Jahren in der und um die Sperrzone forschen, ist der britische Wissenschafter Jim Smith (Uni Portsmouth), der nun eine – jedenfalls für einen Forscher – ungewöhnliche Idee in die Praxis umsetzte: Um zu zeigen, dass die Radioaktivität in der und um die Sperrzone zum Teil nur sehr schwach ist, brannte er gemeinsam mit britischen und ukrainischen Kollegen aus Getreide, das innerhalb der Sperrzone angebaut worden war, und mit Wasser aus einem Brunnen in der Nähe von Tschernobyl einen Wodka.

Jim Smith, der Forscher hinter dem Wodka-Projekt.
Foto: APA/AFP/University of Portsmouth

Zwar sei das Getreide noch ein wenig radioaktiv gewesen. "Da aber die Destillation alle Verunreinigungen im ursprünglichen Roggen reduziert, ist die einzige Radioaktivität, die wir im Alkohol nachweisen konnten, natürlicher Kohlenstoff-14 – und zwar in gleicher Konzentration, wie man sie in jeder Spirituose erwarten würde", versicherte Smith. Dennoch wurde das hochprozentige Produkt, das der Region wieder Hoffnung geben soll, auf den Namen Atomik getauft. (Die Version mit c am Ende kam wohl auch wegen einer österreichischen Skifirma nicht infrage.)

Die erste und bis jetzt einzige Flasche jenes Getränks, das den Bewohnern der Region um Tschernobyl Hoffnung geben soll.

Die Wissenschafter wollen nun ein Unternehmen namens Tschernobyl Spirit Company gründen und im kommenden Jahr mit der Produktion und Vermarktung des Wodkas beginnen. 75 Prozent der Gewinne sollen den Bewohnern der Sperrzone zukommen, in der kommerzielle Landwirtschaft immer noch verboten ist.

Künstliche Zunge für Whisky

Dass sich vor allem britische Forscher gern dem Hochprozentigen widmen, zeigt auch eine wissenschaftliche Studie, die diese Woche im Fachblatt Nanoscale erschien. Alasdair Clark (Universität Glasgow) und seine Kollegen berichten darin über einen auf einer dünnen Glasplatte angebrachten Sensor, der teure Single Malts von billigem Fusel unterscheiden kann.

Alasdair Clark mit seiner künstlichen Whisky-Zunge.
Foto: Universität Glasgow

Die künstliche Zunge, die an Produkten populärer Qualitätsmarken wie Glenfiddich und Laphroaig getestet wurde, konnte unter anderem mit fast hundertprozentiger Treffgenauigkeit erkennen, ob der Whisky in einem Rum- oder einem Sherryfass gelagert wurde und ob dieser Zeitraum zwölf, 15 oder 18 Jahre betrug.

Der Sensor soll auf diese Weise helfen, nicht zum Opfer von Fälschungen zu werden – wie ein Chinese, der 2017 in der Schweiz umgerechnet 8.500 Euro für ein Glas eines angeblich 1878 gebrannten Macallan bezahlte. Tatsächlich enthielt die Flasche einen Blended Scotch aus den 1970er-Jahren. (tasch, 10.8.2019)