Im November 2014 ging die Crowdfunding-Plattform "I believe in you" in Österreich an den Start. Das Vorbild stammte aus der Schweiz, es ist um gut ein Jahr älter.

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ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel und ÖOC-Präsident Karl Stoss haben "I believe in you" im November 2014 in Wien präsentiert. Mennel wurde Geschäftsführer der "I believe in you GmbH".

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Gernot Uhlir leitete "I believe in you", seit Anfang Juli ist er Geschäftsführer der Sporthilfe.

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Wien – Verena Preiner braucht Geld. Schließlich schaut seit Ende Juni alles anders aus. Da holte sich die 24-jährige Leichtathletin aus Ebensee den österreichischen Rekord im Siebenkampf. Die 6591 Punkte beim Meeting in Ratingen haben sie selbst überrascht und ihr schon früh das Limit für die Weltmeisterschaft in Doha/Katar (ab 27. September) beschert, nebenbei Rang drei in der Weltrangliste. Preiner kann die WM-Vorbereitung früher als geplant angehen, ihr schwebt im Spätsommer ein Trainingslager in Belek in der Türkei vor. Der Trainer und ein Physiotherapeut sollen mitkommen. Kostenpunkt 5600 Euro. Geld, das Verena Preiner nicht hat, Geld, das sie gerne hätte.

Und hier kommt "I believe in you" ins Spiel. Die Crowdfunding-Plattform für Sportprojekte wurde 2013 in der Schweiz von den ehemaligen Olympiateilnehmern Mike Kurt (Kanu) und Fabian Kauter (Fechten) gegründet. Im November 2014 ging sie auf Initiative des Österreichischen Olympischen Comités und der Sporthilfe auch in Österreich an den Start, sprich online. ÖOC-Präsident Karl Stoss schwärmte damals regelrecht: "Damit können wir Zugang zu bisher nicht erschlossenen privaten Mitteln verschaffen."

Die Idee: SportlerInnen, Sportvereine oder Verbände präsentieren der, nun ja, Crowd ein konkretes Projekt mit einem konkreten Kostenpunkt. Die Fans haben 30, 50 oder 80 Tage Zeit zu spenden, sie werden erst zur Kasse gebeten, wenn das Ziel innerhalb der Frist tatsächlich erreicht wird. Die Sportlerinnen und Sportler sind angehalten, sich und ihr Projekt ordentlich darzustellen und im Gegenzug für Spenden etwas auszuloben.

Ein Selfie aus Belek

Von Verena Preiner kriegt man für 20 Euro "ein exklusives Dankes-Selfie aus Belek", für 25 Euro eine "einzigartige Toni-Sailer-Briefmarkensammlung", für 50 Euro eine Sonnenbrille aus der Olympiakollektion, für 150 Euro eine signierte Startnummer, für 250 Euro ein "Meet & Greet", für 500 Euro einen Motivationsvortrag oder ein gemeinsames Training. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt, die junge Gewichtheberin Sarah Fischer etwa servierte Spendern für 100 Euro ein Abendessen in der Pension ihrer Eltern, "inklusive Kardinalschnitten nach Mamas Rezept".

So weit, so gut, so sympathisch. Nicht gesprochen wurde von ÖOC-Präsident Stoss und ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel bei der Präsentation allerdings über Kosten, mit denen damals schon zu rechnen sein musste. Ein Blick ins Firmenbuch und STANDARD-Recherchen zeigen, dass die "I believe in you Österreich GmbH" in den fünf Jahren ihres Bestehens einen Bilanzverlust von mehr als 700.000 Euro zu verbuchen hat. Dieser Bilanzverlust ist insofern besonders bemerkenswert, als ihm "nur" 1,5 Millionen Euro gegenüberstehen.

Abzüglich zwölf Prozent

Das ist jene Summe, die von 300 erfolgreichen "I believe in you"-Projekten in 70 verschiedenen Sportarten lukriert werden konnte. Dazu kommt, dass von diesen 1,5 Millionen noch insgesamt zwölf Prozent, also 180.000 Euro, abzuziehen sind. Die GmbH hebt nämlich vom Sammelbetrag erfolgreicher Projekte jeweils acht Prozent Administrationsgebühr ein, zusätzlich stellt sie eine Transaktionsgebühr von vier Prozent in Rechnung.

Beim Blick ins Firmenbuch stechen zwei Namen ins Auge: Peter Mennel, der ÖOC-Generalsekretär (und Finanzreferent des Skiverbands ÖSV sowie Schatzmeister des Europäischen Olympischen Comités EOC), wird seit 20. Juni 2015 als Geschäftsführer von "I believe in you" geführt. Als Prokurist (ab Oktober 2018) ist Gernot Uhlir angeführt, die Funktion hat er seit Anfang Juli allerdings nicht mehr inne. Da avancierte Uhlir zum Geschäftsführer der Österreichischen Sporthilfe, die neben dem ÖOC und der Bundes Sport Organisation (BSO) ebenfalls ein Träger von "I believe in you" ist. Bis auf die BSO befinden sich alle unter einem Dach. Am Rennweg in Wien-Landstraße sind ÖOC, Sporthilfe und "I believe in you" an die Lotterien angedockt.

Keine weiten Wege

Uhlir hat als Sporthilfe-Geschäftsführer nun sämtliche Organisationen durch. Von 2011 bis 2017 war er Vorstandsassistent bei den Lotterien. Vom ÖOC, also von Stoss und Mennel, wurde er in der Tiroler Olympiakampagne zur Bewerbung um die Winterspiele 2026 eingesetzt, die im Oktober 2017 an einer Volksbefragung scheiterte. Daraufhin folgte er dem ehemaligen Fußballtorhüter Hans-Peter Berger an der Spitze von "I believe in you".

Viele sagen Uhlir nach, erst er habe die Plattform halbwegs auf Vordermann gebracht. Ein Vergleich der Bilanzverluste in den einzelnen Jahren scheint diese Darstellung zu bestätigen. Bevor Uhlir antrat, waren die jährlichen Bilanzverluste stetig angewachsen, von gut 138.200 Euro (2015) über 148.600 (2016) auf knapp 210.000 Euro (2017). Auch Mennel betont den "Turn-Around" unter Uhlir, schließlich habe der Bilanzverlust 2018 nur 158.000 Euro betragen. Und: "Nach derzeitigem Stand ist 2019 von einem Verlust von rund 50.000 Euro auszugehen."

Unter dem Strich, noch einmal: 705.000 Euro Bilanzverlust binnen fünf Jahren. Die Tendenz beim Umsatz ist leicht steigend. Im Vorjahr waren hundert Projekte erfolgreich, für die 400.000 Euro gespendet wurden, abzüglich zwölf Prozent (48.000 Euro). Hinzu kommt die drastische Kostensenkung, die freilich erst recht die Frage aufwirft, warum die Kosten zunächst so hoch gewesen sind. Uhlir sagt, er habe den Hebel beim Personal angesetzt. Früher seien bis zu vier Personen beschäftigt gewesen, er selbst habe nur einen Mitarbeiter beschäftigt. Dieser, der Regionalliga-Fußballer Andreas Gradinger, übernimmt nun die Leitung von Uhlir. Ihm wird ab September eine Praktikantin zur Seite gestellt. "Für 2020 sind schwarze Zahlen prognostiziert", sagt Mennel. Uhlir ist vorsichtiger, er will "I believe in you" 2020 "auf Null" sehen.

"Keine öffentlichen Gelder"

Müssen sich die zwei wichtigsten Sportorganisationen im Land, das ÖOC und die BSO, den Vorwurf gefallen lassen, nicht ordentlich gewirtschaftet oder zumindest nicht genau hingesehen zu haben? Immerhin kommen auch sie in den Genuss öffentlicher Mittel. Das ÖOC lukriert 2,21 Millionen, die BSO 1,2 Millionen Euro jährlich. Doch für "I believe in you" würden "keine öffentlichen Gelder verwendet", versichert Mennel. Das ÖOC betrachte die Plattform "in erster Linie als Investment in den Sport". BSO-Präsident Rudolf Hundstorfer gibt sich gelassen: "Der Versuch, etwas Neues zu entwickeln, bringt halt immer Startprobleme mit sich. Es greift schön langsam. Aber natürlich wird man auf ewig keinen Verlust akzeptieren können."

Hilfe aus der Schweiz

Das Wort Neuentwicklung trifft auf die Homepage nicht zu. Sie wurde eins zu eins aus der Schweiz übernommen, österreichische Bundesländer sind aktuell noch als "Kantone" tituliert. In der Schweiz wurde "I believe in you" 2013 gestartet und gilt als Erfolgsstory. Die Schweizer betreuen Frankreich (seit 2015) und Norwegen (seit 2016) mit, insgesamt wurden laut CEO Nick Gast 18 Millionen Euro umgesetzt. Die "I believe in you AG" hat zwölf Mitarbeiter, sechs betreuen die Projekte, sechs sind für Marketing und Kommunikation zuständig. Jährlich werden mittlerweile 500 Projekte lanciert und begleitet – und zwar dreisprachig.

Bis Ende 2018 haben die Schweizer laut Gast "Social Media auch für Österreich gemacht". Inkludiert waren der Facebook-Auftritt, das Schreiben von Geschichten, das Erstellen und Editing von Videos. Unter diesem Licht lassen sich die hohen Personalkosten, die in Österreich bis Ende 2017 anfielen, noch schwerer erklären.

Hilfe aus den Ländern

"In der Schweiz gibt es eine Gebermentalität", sagt Gast. Dazu sind dort schon sehr früh Unternehmen wie Aldi und PostFinance als Sponsoren aufgesprungen. Auch daran orientieren sich die Österreicher nun. "I believe in you" ist heuer Partnerschaften mit einigen Bundesländern und auch Firmen eingegangen. Oberösterreich (Oberösterreichische Versicherung), Salzburg (Salzburg AG) und Tirol (Tiroler Sparkasse) sind schon an Bord. Kärnten und die Steiermark könnten folgen.

Mag sein, dass sich so der über die Jahre angefallene Bilanzverlust ausgleichen lässt. Klar ist: nicht nur Verena Preiner, auch "I believe in you" braucht Geld. (Fritz Neumann, 12. 8. 2019)