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Die Opposition hatte zu den erneuten Protesten aufgerufen. Sie will erreichen, dass alle Kandidaten zur Stadtratswahl in vier Wochen zugelassen werden. Regierungskritiker sind dort wegen angeblicher Formfehler bei ihren Registrierungsanträgen nicht zugelassen.

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Menschen mussten zeitweilig warten, um überhaupt zum Versammlungsort zu gelangen. Unter ihnen waren viele junge Menschen, aber auch Eltern mit ihren Kindern und Ältere – besorgte Bürger Moskaus.

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Die Polizei kündigte vor den Protesten an, gegen nicht genehmigte Aktionen erneut mit aller Härte durchzugreifen. Teilnehmern drohen Anklagen wegen Anstiftung zu Massenunruhen, die mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden können. Die Opposition sprach von Einschüchterungsversuchen.

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Moskau – Zehntausende Menschen haben am Samstag in Moskau ungeachtet massiver Einschüchterungsversuche der Behörden friedlich gegen Polizeigewalt und für freie Wahlen demonstriert. Die Kundgebung auf dem Sacharow-Prospekt in der russischen Hauptstadt war die größte seit vielen Jahren. Sie forderten die Zulassung von unabhängigen Kandidaten zur Stadtratswahl am 8. September.

Anders als die Proteste an den beiden vergangenen beiden Wochenenden waren diese genehmigt. Zuletzt war die Polizei wiederholt mit Gewalt gegen Demonstranten vorgegangen. Auf Live-Bildern im Fernsehen war zu sehen, wie Polizisten mit Schlagstöcken im Viertel Kitai-Gorod östlich des Kremls Straßen und Parks abriegelten. Immer wieder war zu sehen, wie Festgenommene abgeführt und in Polizeibusse geschoben wurden.

Youtube soll Videos über Proteste löschen

Nach den Protesten und Massenfestnahmen in Moskau haben die russischen Medienaufseher den Internetriesen Google aufgefordert, Videos von nicht genehmigten Protesten auf seiner Plattform Youtube zu löschen. In einem Schreiben wird das Unternehmen aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen verhindert werden solle, dass für nicht zugelassene Proteste geworben werde, teilte die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor am Sonntag mit.

Auf Youtube sind viele Videos veröffentlicht worden, die das teils harte Durchgreifen der Polizei bei Festnahmen zeigen. Allein in den vergangenen drei Wochenenden wurden mehr als 2000 Menschen in der russischen Hauptstadt festgenommen.

Google mit "angemessenen" Maßnahmen gedroht

Roskomnadsor drohte Google, sollte eine Reaktion ausbleiben, werde dies Russland als feindselige Einmischung in innere Angelegenheiten Russlands und in demokratische Wahlen betrachten. Dann behalte man sich das Recht vor, "angemessen" darauf zu reagieren.

Es gibt auch Videos bei Youtube von der Demonstration am gestrigen Samstag, zu der nach Schätzungen der Organisatoren mehr als 50.000 Menschen gekommen waren. Das galt als viel, weil führende Köpfe der Proteste durch die Inhaftierung ausgeschaltet sind. Zudem sind in Russland noch Ferien und viele Menschen deshalb im Urlaub. Und es regnete. Vor allem auch viele junge Menschen waren unter den Protestierenden.

"Russland ohne Putin"

"Wir haben hier die Macht!", riefen die Menschen. Und – ungewöhnlich für Russland – "Freiheit, Freiheit". Auch bekannte Rufe wie "Russland ohne Putin" und "Putin – wor!" – auf Deutsch: "Putin ist ein Dieb" – waren zu hören. Ein Redner rief von der Bühne: "Brauchen wir einen solchen Präsidenten?" Die Menge antwortete daraufhin im Chor: "Nein!"

"Freiheit für die politischen Gefangenen!", skandierte zudem die Menge. Gemeint sind jene Oppositionspolitiker, darunter Alexej Nawalny und Ilja Jaschin, die im Arrest sitzen. Auf Plakaten war etwa zu lesen "Geben Sie Moskau die Wahlen zurück!", "Hier wählen wir!", "Ich habe das Recht auf eine Wahl!" oder "Ich bin wütend!". Die Demonstration verlief friedlich.

Weniger Festnahmen als zuvor

Massenhafte Festnahmen während der Kundgebung blieben diesmal aus, diese begannen erst nach Ende der Demonstration. Die Polizei in Moskau erklärte, sie habe mehr als 130 Menschen festgenommen. Nach Zahlen des Bürgerrechtsportals OWD-Info nahm die Polizei landesweit bei Solidaritätskundgebungen für die Moskauer Proteste rund 280 Menschen in Gewahrsam. 80 Festnahmen wurden demnach in der nordrussischen Stadt St. Petersburg gezählt.

Nach dem Ende der genehmigten Kundgebung in Moskau versammelten sich viele Menschen im Stadtzentrum. Die Organisatoren hatten im Vorfeld nicht ausgeschlossen, dass es weitere, als Spaziergang deklarierte Aktionen geben könnte. Zuvor hatte der inhaftierte Alexej Nawalny über soziale Medien zu solchen "Spaziergängen" aufgerufen.

Er wurde Ende Juli wegen des Aufrufs zu nicht genehmigten Demonstrationen festgenommen und zu 30 Tagen Haft verurteilt. Die russischen Behörden hatten ihr Vorgehen gegen Nawalny zuletzt verschärft. Am Donnerstag wurden die Konten von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung sowie von einigen seiner Unterstützer eingefroren. Zudem durchsuchte die Polizei Wohnungen von Nawalny-Vertrauten. "Was wir jetzt sehen, ist der bisher aggressivste Versuch, uns zum Schweigen zu bringen", schrieb Nawalny daraufhin in seinem Blog.

Internationale Kritik

Sicherheitskräfte waren in den letzten Wochen massiv gegen friedliche Demonstranten vorgegangen. Das stieß international auf Kritik. Außenminister Alexander Schallenberg hatte den Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten in Moskau und die vielen Festnahmen als "unverhältnismäßig und unvertretbar" bezeichnet. (APA, red, 11.8.2019)