Hongkong/Peking/Washington – In Hongkong haben auch am Samstag zahlreiche Menschen auf mehreren Kundgebungen gegen die Peking-treue Regierung demonstriert. Den zweiten Tag in Folge besetzten Hunderte Demonstranten die Ankunftshalle des Flughafens der Millionenmetropole. Bereits am Freitag hatten dort rund 1.000 Demonstranten friedlich protestiert, kein Flug wurde dadurch beeinträchtigt.

In mehreren Stadtbezirken zogen Tausende Menschen durch die Straßen. Während die seit Juni anhaltenden Proteste anfangs vor allem von Studenten getragen wurden, schließen sich inzwischen viele Ältere an. "Wir sind sehr zornig, dass die Polizei unsere jungen Leute festgenommen hat", sagte eine Frau in ihren 60ern. Sie sei zur Kundgebung gekommen, weil sie sich wegen der zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten Sorgen mache. Die Demonstranten hätten nur versucht, sich gegen die Polizeigewalt zu schützen, sagte sie.

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Demonstranten begrüßen die Touristen am Flughafen in Hongkong.
Foto: reuters / kato

Die Proteste hatten sich an Plänen der Regierung von Carrie Lam für ein Gesetz zur Auslieferung von Beschuldigten an China entzündet. Seit Mitte Juni weiten sie sich aus und erreichten am Montag mit einem Generalstreik einen Höhepunkt. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Tränengas und Schlagstöcke einsetzte.

Die USA und Australien haben ihre Staatsbürger bereits am Donnerstag zu erhöhter Vorsicht aufgerufen.

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Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam während einer Pressekonferenz am 9. August.
Foto: REUTERS / ISSEI KATO

Der früheren britischen Kronkolonie Hongkong wurden nach der Übergabe an China 1997 besondere Rechte wie das der freien Meinungsäußerung eingeräumt. Diese sehen die Regierungskritiker nun gefährdet.

Die Demonstranten fordern den Rücktritt der Regierungschefin Lam. Diese rief am Freitag zu Ruhe und Vernunft auf und forderte, die Gewalt müsse aufhören. Die Proteste schadeten der Wirtschaft in Hongkong und hätten sie "wie ein Tsunami" getroffen.

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Foto: reuters / kato

Proteste lösen neuen Streit zwischen USA und China aus

Mitten im erbitterten Handelskrieg mit China beschuldigen die USA die Volksrepublik nun auch, eine US-Diplomatin in Hongkong vorsätzlich in Gefahr gebracht zu haben. Die Berichte chinesischer Staatsmedien über die Diplomatin seien inzwischen "nicht mehr verantwortungslos, sondern gefährlich", schrieb US-Außenamtssprecherin Morgan Ortagus am Freitag (Ortszeit) auf Twitter.

Ausgelöst wurde der neue Schlagabtausch zwischen Washington und Peking durch ein Treffen der US-Diplomatin mit regierungskritischen Aktivisten in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong. China hatte am Donnerstag förmlich gegen das Treffen protestiert, über das Hongkonger Medien berichtet hatten. Das chinesische Außenministerium forderte die USA auf, den Zweck des Treffens zu erläutern und "sofort aufzuhören, sich in Hongkong-Angelegenheiten einzumischen".

Die USA warfen der chinesischen Regierung übelste Methoden vor, weil sie ein Foto der Diplomatin sowie persönliche Informationen und Namen von Familienangehörigen an die Medien weitergegeben habe. Die Regierung in Peking stritt ab, hinter der Veröffentlichung zu stecken, und warf den USA ihrerseits vor, wie Kriminelle zu denken.

Ortagus wies nun via Twitter darauf hin, dass China gemäß den Wiener Konventionen verpflichtet sei, "unsere Diplomaten und Konsularbeamten mit gebührendem Respekt zu behandeln" und alles zu tun, um Angriffe auf ihre Person, Freiheit oder Würde zu verhindern.

IWF widerspricht USA

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat indessen festgehalten, dass er den von den USA kritisierten Wechselkurs des chinesischen Yuan für angemessen hält. Der Kurs stimme mit den ökonomischen Fundamentaldaten weitgehend überein, sagte der für China zuständige IWF-Direktor James Daniel am Freitagabend (Ortszeit) in Washington. Im vergangenen Jahr sei der Yuan "weder nennenswert über- noch unterbewertet gewesen", sagte er.

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Protestierende während des "Hungry Ghost"-Festivals.
Foto: Reuters / Siu

Damit widersprach er der Haltung des größten IWF-Anteilseigers USA, die China nach dem jüngsten Kursrückgang des Yuan Währungsmanipulation vorgeworfen hatten. US-Finanzminister Steve Mnuchin sieht in der aktuellen Yuan-Abwertung unfaire Handelspraktiken und will mit Hilfe des IWF dagegen vorgehen.

IWF-Direktor Daniel wollte sich dazu nicht äußern. Er sagte in einer Telefonkonferenz mit Journalisten nur, der IWF und das US-Finanzministerium diskutierten laufend über eine Reihe von Themen. Der IWF erklärte in einem Bericht, eine weitere Verschärfung des Handelsstreits zwischen den USA und China könne die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität der Volksrepublik gefährden und staatliche Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft nötig machen.

China erhöht Druck

Chinas Regierung mahnt immer energischer, die Ordnung in der Sonderverwaltungszone wieder herzustellen und die Gewalt zu beenden. Als Zeichen des zunehmenden Drucks forderte Chinas Luftfahrtbehörde am Freitag die Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific auf, keine Piloten und Flugbegleiter mehr auf Flüge auf das chinesische Festland zu lassen, die sich an "illegalen Protesten" beteiligt hätten.

Vor jedem Flug müsse nun zunächst eine Liste mit Besatzungsmitgliedern vorgelegt und genehmigt werden, berichtete die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post".

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hatte am Freitag vor schweren wirtschaftlichen Problemen gewarnt, die durch die Proteste entstehen würden. Vor allem der Tourismus, aber auch die Kauflust der Hongkonger gingen infolge der Unruhen zurück. Bereits mehr als 20 Staaten haben Reisewarnungen herausgegeben. (red, APA, 10.8.2019)