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In Bukarest verlief die Großdemo diesmal ohne Vorfälle.

Foto: AP/Vadim Ghirda

Bukarest – Ein Jahr nach der brutal niedergeschlagenen Großdemonstration vom 10. August 2018 sind in Rumänien am Samstagabend zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Sie forderten den Rücktritt der als korrupt und inkompetent empfundenen Regierung unter Ministerpräsidentin Viorica Dancila von den Sozialdemokraten sowie Konsequenzen nach der Polizeigewalt gegen die Antiregierungs-Protestierenden.

In der Hauptstadt Bukarest demonstrierten trotz glühender Hitze mehr als 20.000 Menschen stundenlang vor dem Regierungssitz, wo sie "Rücktritt", "Es reicht", "Wir vergessen nicht, was ihr letzten Sommer getan habt", "Justiz, nicht Korruption", "Ohne Straffällige in Ämtern" und "PSD, die rote Pest" riefen. Viele Demonstranten trugen Transparente mit der Aufschrift "Korruption und Inkompetenz töten" und zündeten Kerzen für die beiden vor zwei Wochen im südrumänischen Caracal von einem mutmaßlichen Serientäter getöteten Mädchen an.

Polizei reagierte nicht auf Hilferuf von Mordopfer

Angesichts des katastrophalen Behördenversagens im Fall der 15-jährigen Alexandra, die vor ihrer Tötung drei Notrufe abgesetzt und die lokale Polizei vergeblich um Hilfe angefleht hatte, zogen die Menschen in einem Protestmarsch auch bis vor das Innenministerium, wo sie "Schande", "Ihr schützt nicht, sondern tötet" und "Alexandra" riefen. Auch in weiteren rumänischen Städten – unter anderen Iasi, Cluj, Constanta, Brasov, Sibiu, Craiova – gingen Tausende Menschen auf die Straße.

In Bukarest verlief die Großdemo diesmal ohne Vorfälle. Die wegen der Tragödie von Caracal erneut am Pranger stehende Polizei beeilte sich schon am Vormittag zu versichern, dass man vor Ort nur "zur Wahrung der Sicherheit" und keineswegs "zur Einschüchterung" anwesend sein werde.

Schleppende Ermittlungen gegen Polizei und Amtsträger

Fast zeitgleich äußerte auch Staatschef Klaus Johannis die Hoffnung, dass "die Regierung diesmal von Gewaltanwendung absehen wird". Die brutal niedergeschlagene Antiregierungsdemo vor einem Jahr bezeichnete Johannis als "eine der größten Tragödien der rumänischen Nachwendezeit".

Er wolle "nie mehr erleben" müssen, "dass eine Regierung auf die eigenen Bürger mit Knüppeln und Tränengas losgeht". Der Präsident verwies darauf, dass sich auch ein Jahr nach den blutigen Ereignissen immer noch niemand für die damalige Polizeigewalt zu verantworten hat. Nach wie vor gelte zu eruieren, "wer den politischen Befehl dafür gegeben hat".

Mögliche Beweise unter Verschluss

Tatsächlich haben sich bis dato lediglich rund ein Dutzend Fußball-Rowdies, die bei der Großdemo vor einem Jahr randaliert hatten, vor Gericht zu verantworten. Die Ermittlungen gegen Polizei, Gendarmerie und verantwortliche Amtsträger des Innenministeriums verlaufen indes schleppend, da die ehemalige, Ex-PSD-Chef Liviu Dragnea nahestehende Innenministerin Carmen Dan sämtliche den Einsatz vom 10. August betreffende Unterlagen kurzerhand unter Verschluss gestellt hatte.

Ihre Nachfolger im Amt unternahmen ihrerseits nichts, um diesen Sachverhalt zu ändern, sodass die rumänischen Staatsanwälte mangels ausreichender Beweislage Schwierigkeiten haben, Anklage gegen die schuldigen Polizeichefs, -beamten sowie Amtsträger zu erheben.

Bei der Großdemonstration am 10. August 2018 hatten mehr als 100.000 Menschen gegen die Regierung protestiert. Die Polizei ging mit Tränengas und Schlagstücken gegen die Demonstranten vor. Laut Medienberichten wurden mehr als 450 Personen verletzt, auch ein Team des ORF in Bukarest wurde von der Polizei attackiert. (APA, 10.8.2019)